In drei Unterkapiteln wird der Frage der historischen Einordnung der Shoah auf drei Ebenen nachgegangen:
Hinter der scheinbar rein zeithistorisch wissenschaftlichen Fragestellung verbirgt sich zugleich der höchst politische Kampf um die Deutungshoheit der Shoah für den Kanon der nationalen Identität Deutschlands.
Die Shoah und die ideologischen Verkehrungen der bürgerlichen Welt.
Über den verunsichernden historischen Stellenwert der Shoah für die proletarische Emanzipationsbewegung.
Im Deutschland der 1980er und 90er Dekaden wurde von revisionistischer Seite die Auseinandersetzung um die geschichtliche Stellung der Shoah verschärft, deren Anfänge und Richtung nach 1955 in Unterkapitel 11.3. angedeutet wurden.
Ging es bis 1980 noch um eine „Reinwaschung“ der BRD durch das instrumentelle Eingeständnis der „Unvergleichbarkeit“ der Shoah, so wendete sich das Blatt in den 1980er Jahren propagandistisch Richtung Relativierung, um in den 1990er Jahren die Shoah mit preußischer Chuzpe durch den Staatsapparat der Berliner Republik zur Funktionalisierung der Herausbildung einer deutschen nationalen Identität zu nutzen. Hierin wiederholte sich die Stereotype deutscher „Vergangenheitsbewältigung“. Diesmal sind es nicht die Versailler-Verträge und das internationale Judentum, die „uns“ niederhalten und abgeschüttelt werden müssen, sondern neben den Amis dieses von der Israel-„Lobby“ am Köcheln gehaltene verfluchte Auschwitz, das dieses „unser Vaterland“ nicht aus seinen Krallen lässt und die Rückkehr zur Normalität als Nationalstaat immer wieder blockiert.
Der Ausnahmezustand der Bonner Republik musste überwunden werden, er wurde als Berliner Republik überwunden. Kohl tönte explizit, wie mehrmals erwähnt, in seiner Regierungserklärung 1991, dass Deutschland nun mit „seiner Geschichte abgeschlossen“ (sic!) habe, um im nächsten Atemzug Deutschlands Bekenntnis zu „seiner“ Weltmachtrolle und deren Ausbau anzukündigen.
Im vorliegenden Kontext der deutschen Vormachtpolitik in Europa nach 1989 spielt die Instrumentalisierung der Shoah eine zentrale Rolle. Der grüne Außenminister Fischer bewies 1999 im Propaganda-Trommeln um die Zustimmung der BRD-Volksgemeinschaft zum NATO-Bombenkrieg gegen die BR-Jugoslawien seine ideologischen Fähigkeiten der zeitgemäßen Reformulierung des deutschen Wesens. Trotz besseren Wissens um den desinformativen Charakter eines behaupteten serbischen „Massakers“, setzte er den infamen Umkehrschluss: „Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz“.1 Dem armen Adorno wird die Rekuperation seines an reflektierte Individuen gerichteten kategorischen Imperativs zur zynischen Staatsformel der Täternation unentwegt in den Ohren klingeln.
Dies war die letzte Schleusenöffnung zur gegenwärtigen deutschen Politik der Selbststilisierung als gefestigte Demokratie mit weltweiter „Wächterfunktion“ der Einhaltung und intervenierenden Durchsetzung der „Menschen- und Minderheitsrechte“. Gerade Deutschland, das sich zu seinen „unvergleichlichen“ Taten bekennt, ist prädestiniert, in Zukunft solche Gräueltaten zu verhindern.
Das konnten die EU-„Partner“ nur als Drohung deutscher Destabilisierungspolitik verstehen, da Deutschland gerade in jenem Augenblick „seinen“ Krieg zur endgültigen Zertrümmerung der BR-Jugoslawien gegen die NATO-Partner mit der Phrase der Menschenrechte durchsetzte. Denn Fischers Formel besagt implizit: Ihr wisst, zu was wir alles im Stande waren – und auf diese Tradition können, aber wollen wir selbstverständlich nicht zurückgreifen, sondern haben daraus „gelernt“, wie wir uns verkaufen und euch einkaufen müssen, solange ihr pariert!
Fischers Vorstoß war der ideologische Krönungsschritt der außenpolitischen Periode seit Kohls Regierungsantritt 1982. Der Versuch, die deutsche Nation von ihrer Vergangenheit zu entsorgen, lief mit der Kohl'schen Ankündigung der geistig-moralischen Wende 1982 in neuem Gleise an. Der 40. Jahrestag der Befreiung von außen vom Nationalsozialismus, der 8. Mai 1985, brachte dann den sichtbaren medialen Doppelschlag Deutschlands auf dem Weg zu seiner erhofften „Normalität“ in der Staatengemeinschaft.
Den Aufschlag machte Kanzler Kohl am 5. Mai. Eingedenk seiner Gnade der späten Geburt besuchte er mit US-Präsident Reagan den mit SS-Schergen geschmückten Soldatenfriedhof Bitburg.2 Waffen-SSler waren doch einfache, ehrenhafte Soldaten, so wie du und ich! Kohls machiavellistischer Instinkt war schon zu jenem Zeitpunkt geleitet durch den Niedergang der SU und der zu erwartenden Beute DDR, wie es sich bei Gorbatschows Wahl zum Generalsekretär der KPdSU im März 1985 mit dem Schlagwort Glasnost ankündigte.
Bundespräsident R. v. Weizsäcker nahm den Ball auf und hielt am 8. Mai eine Ansprache3 der Einsichtigkeit in die Verantwortung Deutschlands und brachte den Deutschen schonend die Tatsache bei, dass es sich um den tatsächlichen Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus handelte.4 Im dritten Abschnitt seiner Ansprache räumte er ein: „Der Völkermord an den Juden jedoch ist beispiellos in der Geschichte.“ Seine flachgeistige, jedoch einfühlsame Ansprache wurde im Inland wie Ausland gelobt und brachte einem Bundespräsidenten der BRD das erste Mal die lang ersehnte Einladung nach Israel ein.
Dieser, sich arglos gebende, ergänzende Doppelschlag kündigte an: „Wir“ stehen zu „unserer“ bitteren Geschichte in all ihren Widersprüchen und wollen aber bitteschön endlich als normaler Staat auf Augenhöhe behandelt werden.
Auf diese politischen Vorgaben und Entwicklungen baute der „Befreiungsschlag“ der „Vergangenheitsbewältigung“ von Teilen der zeitgeschichtlichen Forschung in Deutschland, der als „Historikerstreit“ bezeichnet wird. Spätestens seit Ernst Nolte´s als Scheinfrage formulierten These5 von1986, wonach die Shoah die Folge des Prius des bolschewistischen Archipel Gulag sei, dass also Hitlers „Rassenmord“ dem „Klassenmord“ Stalins zuvor gekommen sei, zielten revisionistische Kräfte vermehrt darauf, „Auschwitz vom Sockel“ zu stoßen, auf den „die“ sich selbst duckenden Nachkriegsdeutschen es als Ablenkungsmanöver von den Kontinuitätslinien mit dem NS gehievt hatten.
Der Staatsapparat bestätigte im Zusammenhang dieses im Feuilleton ausgetragenen sogenannten „Historikerstreits“6 die alte strategische Wende. Aus dem Off des Kanzleramts kam die Erklärung, dass der Holocaust „unvergleichbar“ sei. Das hat die internationale Reputation der Regierung der BRD im damals schroff anlaufenden Wettbewerbskampf der Nationen um den Weltmarktkuchen zusätzlich gestärkt. Von da an setzte sich die auch bei Nolte zu Grunde liegende Totalitarismus-These Hannah Arendt´s – die die starke Affinität zwischen Nazi-Deutschland und der Sowjetunion als totalitäre Herrschaft postuliert – nach dem medial inszenierten Hype der Goldhagen-“Debatte“ von 1996 und mit der „Debatte“ um das „Schwarzbuch Kommunismus“ 1998 sowie der 4 jährigen Pilgerfahrt der ersten „Wehrmachtausstellung“ von 1995 bis 1999 durch drei Dutzend deutsche Städte sukzessiv ideologisch in der BRD endgültig durch.
Mit dieser schmutzigen Weste, als keineswegs deutschem Alleinstellungsmerkmal, sondern in guter Gesellschaft mit anderen Ganoven des Weltmarkts, lässt sich viel ungenierter Weltpolitik der „freien Hand“ machen als mit der zuvor bei den Nachkriegs-Deutschen beliebten intentionalen Reduktion der Shoah auf des Führers antisemitischen „Wahn“ oder das krämerseelenhafte Geschacher um die „wahren“ Zahlen der Holocaustopfer. Mehr konnten die deutschen Revisionisten gar nicht in ihrer Schlussstrich-Mentalität erreichen, als die Gleichsetzung beider Herrschaftssysteme.
Fischers funktionale Zuspitzung der deutschen Herrschaftsideologie als sich selbst setzende moralische Instanz der „Wächternation“ für Menschenrechte – gerade wegen der „Erinnerung“ an Auschwitz – ist in den nationalen Kanon der deutschen Staatsraison integriert worden. Damit liegt Deutschland seinen „Partnern“ so sehr in den Ohren, dass die westlichen Nationen die Phrase inzwischen selbst dreschen.
Der Staatsapparat der BRD hat sich in diesem Zuge um das Jahr 2000 das Monopol am „Antifaschismus“ sowie des Kampfes gegen den Antisemitismus verschafft und sich zum unverbrüchlichen „Freund“ Israels erklärt. Diese „Freundschaft“ zu Israel kommt nicht ohne ihre unverhohlene „deutsche“ Drohung aus. Der gegenwärtige Gaukler im Schlössle Bellevue sagte beispielsweise laut Die Zeit vom 29.05.2012 bei seinem offiziellen Israel-Besuch in seiner Funktion als Bundespräsident aller Deutschen: „Deutschland sollte (sic!) das allerletzte Land sein, das Israel seine Freundschaft und Solidarität aufkündigt“. Eine nette „Freundschafts“-Kündigungs-Bekundigungs-Ankündigung angesichts der laufenden Drohungen der iranischen Führung, den Staat Israel auszulöschen und Jerusalem zu „befreien“. Da schlug das Bewährungshelfer-Syndrom wieder zu, das die Deutschen gegenüber anderen Staaten und insbesondere Israel regelmäßig an den Tag legen. Die gesamte bürgerliche Medienlandschaft von rechts bis links flankiert diesen Spagat weitgehend verbissen.
Der 25 jährige Weg von Nolte´s These von der Shoah als nationalsozialistischer Prävention gegen die zu erwartende „asiatische Tat“ der SU bis zur aktuellen Selbststilisierung der BRD als Menschenrechtsfreund ist ein Paradebeispiel des ideologischen Klassenkampfs und der Umdeutungshoheit der herrschenden Klasse.
An dieser Stelle kann es nur darum gehen, einige Wendepunkte und dabei eingeschlagene Taktiken des deutschen Weges der Geschichtsrevision zu benennen. Noltes als Scheinfrage formulierte Entlastungs-These löste erst dadurch eine lärmende Aufgeregtheit im Feuilleton aus, dass „unser“ Philosophenpabst Habermas7 ihn und dessen Flankierung durch M. Stürmer und A. Hillgruber im Zentralorgan der deutschen Studienräte der Tendenzen der Apologetik und des Revisionismus des NS bezichtigte8. Doch dies war ebenfalls nur ein Anlass. Aus den zurückgehaltenen deutschen Gemütern brach hervor, was endlich mal gesagt werden musste und in Tinte festgehalten gehörte, da dass Reich Iwan des Bösen im Osten endlich wankte und die deutsch-nationalen Kräfte mitteleuropäische teutsche Morgenluft witterten.
Reflektierende Kritik an Nolte kam aus dem linksbürgerlichen Lager der zeitgenössischen NS-Forschung. Dan Diner formulierte in: Zwischen Aporie und Apologetik9die Frage, ob und wie die Shoah zeitgeschichtlich eingeordnet werden könne oder gar schon sei. Diner spricht als erstes die Tendenzen der Renationalisierung der BRD an, die durch Noltes Vorstoß bewusst bedient werden, und fragte danach, ob denn der Nationalsozialismus Geschichte sei.
„Historie stellt eine aus wissenschaftlicher Distanziertheit gedeutete vergangene Geschichtlichkeit dar – eine Bearbeitung, die für alle Epochen in gleicher Weise gilt. Hier ist wiederum ein vorsichtiges Zögern angebracht.“10
Denn Ende der 1980er Jahre war die NS-Forschung in ihrer Breite und Tiefe noch nicht sehr weit gediehen.11 Diner leitete aus der banalen Tatsache, dass „die Vergangenheit“ Deutschlands vom Michel zuhause wie im gesamten westlichen Ausland eindeutig mit Auschwitz konnotiert wurde (und wird), schlicht ab, dass die Shoah innerhalb des NS eine Sonderstellung bezüglich der deutschen Vergangenheit einnehme. Er verdeutlicht den politischen Charakter des heißen Eisens der kritischen Beschäftigung mit dem NS gründungs-mythologisch:
„Historische Theorien über den Nationalsozialismus wurden zu heimlichen Präambeln der Konstitutionen beider deutschen Staaten: Die Totalitarismustheorie wacht insgeheim über das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland; die Theorie vom Nationalsozialismus als Faschismus, die einen organischen Zusammenhang zwischen einer terroristischen Herrschaft und der kapitalistischen Produktionsweise konstatiert, legitimiert gar die besondere Existenz der DDR dem kapitalistischen deutschen Weststaat gegenüber. Insofern hatten und haben theoretische und historiographische Debatten über den Nationalsozialismus in Deutschland immer auch und vor allem eine existenzielle, Gegenwart und Zukunft berührende Note.“12
Dass Nolte ohne weitere neue Erkenntnisse alten Quark neu rührte und damit einen solchen unerwarteten Wirbel auslöste, deutete auf tektonische Verschiebungen bezüglich des Bestrebens der Deutschen zur Schaffung einer neuen nationalen Identität im Zusammenhang des Wankens des bipolaren Weltsystems der Nachkriegsordnung. Dies setzte voraus, dass der NS als Geschichte ad acta zu legen sei und seine verstehende wissenschaftliche Aufarbeitung als beendet zu erklären.
„Historisieren bedeutet demnach nichts anderes als die wissenschaftliche Form relativierender, universalisierender und komparatistischer Integration des Ereignisses Auschwitz in den Fluß der Geschichte.“13
Diner Text von 1987 war ein begründetes Plädoyer für die Fortsetzung der historischen Forschung des NS, anstatt deren funktionalen Einsatz fürs deutsche Geschichtsbild. Insbesondere jede fehlende, einsichtige Begründung für die Durchführung der „Endlösung der Judenfrage“, war und blieb bis heute der Stachel für an westlichen Handlungsmaximen orientierte bürgerliche Wissenschaftler – ein Stachel, den die Revisionisten mit allen Mitteln auszureißen versuchten:
„Die Sinn- und Zwecklosigkeit, die sich an Auschwitz als Metapher und Realität bindet und einen absoluten Zivilisationsbruch markiert, wird zum eigentlichen Ausgangspunkt perspektivischen Ermessens des Nationalsozialismus. Jedes Historisierungsbemühen hätte hier anzuknüpfen. Eine Perspektive, die vom Zivilisationsbruch nationalsozialistischer praktischer Widerlegung von
Zweckrationalität ausgeht, nähert sich der Perspektive der der Vernichtung preisgegebenen Opfer: Sie vermochten sich, vor dem Hintergrund westlicher
Zivilisation, eine zwecklose Vernichtung überhaupt nicht vorzustellen und waren infolgedessen auch nicht handlungsfähig dagegen. Ein den anderen, seine Interessen und Begehren antizipierendes Denken wurde durch die auf zweckrationaler gesellschaftlicher Matrix sich als sinnlos erweisende Vernichtung annulliert. Ein zweckgerichtetes, auf das eigene Überleben gerichtetes Handeln der Opfer einem solchen absoluten Feind gegenüber konnte es praktisch nicht geben. Das ist der eigentliche antizivilisatorische Kern der Falle Auschwitz. Insofern muß Auschwitz auch für die Geschichtsschreibung und erst recht für den Versuch der Historisierung so etwas wie eine absolute Schranke bedeuten.“14
Sein Schluss aus dem „Historikerstreit“ ist demnach folgerichtig:
„Auschwitz ist ein Niemandsland des Verstehens, ein schwarzer Kasten des Erklärens, ein Deutungsversuche aufsaugendes, verschlingendes Vakuum. Nur durch Reaktion auf diesen Zivilisationsbruch können wir erahnen, um welches Ereignis es sich gehandelt haben könnte. Als Extremfall, als Maß der Geschichte ist dieses Ereignis kaum historisierbar. Ernst gemeinte Historisierungsbemühungen enden in einer geschichtstheoretischen Aporie. Aber auch die Aporie als solche ist der Erforschung wert. Vielleicht kommen wir dadurch einem Verstehen etwas näher, ohne es jedoch jemals wirklich erreichen zu können. Anders gemeinte, exkulpatorische Historisierungsversuche hingegen münden notgedrungen in Apologie. Dies ist die weiterführende Lehre aus dem Historikerstreit.“15
Diners Position ist hier so ausführlich zitiert, weil er als an westliche demokratische Traditionen orientiert, dass Dilemma bürgerlichen Denkens repräsentiert. Er kennt die Vorgeschichte des NS und der Stellung des Judentums in Europa und insbesondere im Deutschland nicht nur des 19. Jh. Er weiß um das kapitalistisch-„naturwüchsige“ Verhältnis des europäischen Bürgertums zum Judentum: Das Judentum Europas begrüßte die Aufklärung (1. Modernes Versprechen der Emanzipation) und entwickelte sie aktiv und emphatisch selbst mit. Das Judentum trieb die mit der Aufklärung einhergehende europäische Nationenbildung (2. modernes Versprechen der Emanzipation) aktiv mit voran. Beide aufeinander aufbauenden Versprechen wurden für die jüdischen Mitbürger als Schutzjuden schon vor 1914 eklatant gebrochen. Die kleinbürgerlichen Ideologen Europas und insbesondere des zurückhinkenden feudalen Deutschlands wandten ihren verkommenen Aufkläricht voller Ressentiments gegen das Judentum und stritten die Möglichkeit seines Emanzipationsbestrebens innerhalb der europäischen Nationen schlichtweg ab.
Trotz oder gerade wegen dieser Kenntnisse hält er an der Zweckrationalität des Handelns der bürgerlichen Gesellschaft als Maß für eine konsistente Einordnung geschichtlicher Ereignisse fest. Demnach setzt das bürgerliche Individuum bewusst gewählte Mittel ein, um einen nützlichen Zweck zu erreichen. In dieser Hinsicht war Auschwitz ein zuvor unvorstellbarer Zivilisationsbruch, da die Sinn- und Zwecklosigkeit dieses industriell staatlich-organisierten Genozids für einen bürgerlichen Forscher eindeutig ist. Hierbei wird das von Diner unaussprechbare Dilemma offensichtlich, dass die abstrakte Rationalität der Aufklärung gleichzeitig der irrationalen Selbstzweckrationalität maßloser Selbstverwertung des Kapitalwerts und deren ideologischen Verkehrungen im Bewusstsein sämtlicher Protagonisten unterworfen ist.
Spätestens mit Diners Beitrag wurden die Begriffe „Zivilisationsbruch“ und „Singularität“ für die Charakterisierung der Shoah zur Sprachregelung eines Teils der liberalen deutschen zeitgeschichtlichen Forscher und waren andererseits das rote Tuch der deutschen Revisionisten. Die dann folgende Sturm- und Drangperiode der deutschen Auslandspolitik von 1989 bis 1994 – geschildert in Abschnitt V.1: Mit der Annexion der DDR, dem deutschen Vorpreschen bei der Anerkennung Kroatiens, Deutschlands Appeasement im Golfkrieg II, dem Abschluss des Maastrichts-Vertrags sowie den vier Schritten Deutschlands zu seiner angestrebten Weltmachtrolle – ging einher mit einer revisionistischen ideologischen Offensive.
Unter dieser ökonomischen und politischen Offensive des neuen Deutschlands geriet der Stachel „Singularität“ der Shoah nach 1990 unter Beschuss und es wurde beispielsweise von Ernst Nolte schon 1994 formuliert, was ein Herr Gauck „am Rande“ 2006 als teutonische Sprachregelung vor sich hertragen konnte:
„Diejenigen, die die Singularität der Endlösung in einer Einmaligkeit der Greuel und in der vollständigen Verworfenheit der Urheber (...) sehen wollen, kämpfen in Wahrheit für eine neue Quasi-Religion. Sie brauchen das absolut Böse in der Vergangenheit, um anderes Böses in der Vergangenheit und der Gegenwart nicht ernstnehmen zu müssen.'“16
Die nächste Abwehrschlacht der Revisionisten des Feuilletons gegen die Singularitätsthese der Shoa und die Besonderheit des deutschen eliminatorischen Antisemitismus bot sich 1996 mit Goldhagens Studie17 zum Agieren der „ganz gewöhnlichen Deutschen“ als „willige Vollstrecker“ der NS-Mordmaschinerie.
Goldhagen ging im Unterschied zu den linksbürgerlichen Verfechtern der Singularitäts-These der deutschen Endlösung der Judenfrage weg vom Allgemeinen des NS und dessen strukturellen Subsystemen hin zur Täterschaft der einzelnen Volksgenossen. Er demaskierte den vorgeblichen „Befehlszwang“, „Befehlsnotstand“, „Kameradendruck“, „Eigennutz“ als Vorwände für die eigene Mordlust, die auf Grundlage des im 19. Jh. geschichtlich modifizierten, seit Luthers Zeiten gewachsenen, eliminatorischen Antisemitismus der Deutschen unter den Bedingungen der NS-Herrschaft und dessen staatlich legitimierten Organisierung der „Endlösung“ der „Judenfrage“ in die Tat umgesetzt wurde. Gerne wird die Endlösung mit Auschwitz gleichgesetzt, es wurden jedoch immerhin eine Million Juden in Osteuropa von (?wievielen?) Erschießungskommandos liquidiert.
Es gilt hierbei, ohne NS-Herrschaft keine Shoah, wie auch, ohne den obsessiven Judenhass der Deutschen keine Shoah, weil auch kein NS. Andere europäischen Länder wären hierzu trotz des dort grassierenden Antisemitismus schon ökonomisch gesehen überhaupt nicht in der Lage gewesen. Der eliminatorische Antisemitismus der Deutschen war demnach die zentrale Ursache und das treibende Moment des Völkermords an den europäischen Juden.
Bei diesem Angriff auf die eigenen Opis und Papas, mit denen sie sich inzwischen versöhnt hatten, war Schluss mit lustig. Nicht wenige der sich in ihrer neu eingerichteten Identität provoziert fühlenden linksliberalen Zeitgenossen liefen wie die Zeithistoriker E. Jäckel und H. U. Wehler zur Front der Relativierer und Revisionisten über. Es bildete sich eine breite Abwehr-Front von Wissenschaft und Feuilleton. Besonders die taz entpuppte sich als Kampforgan der Verteidigung der „Ehre“ ihrer Vatergeneration mittels typisch deutscher Despektierlichkeit.
Die gelungene Antithese zu Goldhagens willigen Vollstreckern wurde übrigens gerade 2013 mit dem Dreiteiler „Unsere Mütter unsere Väter“ ins generationenübergreifende Sonntagsabend-Familien-Pantoffelkino geliefert. Die armen Deutschen waren das wahre Opfer böser Mächte und über sie gekommene Kriegsgewalt, die wahren Antisemiten wurden im polnischen Widerstand geortet! Tritt der Obervolkserzieher G. Knopp ab, finden sich scharenweise neue postmoderne ästhetisierende Vergangenheitsbewältiger18 fürs nationale Aufbauwerk. Götz Georges Vaterstilisierung von 2013 belegt wieder einmal die laufende doppelte Entsorgung, Entlastung, Relativierung, Revision der deutschen Geschichte und der Täter mittels filmischer Machwerke ihrer Söhne- und Enkelgenerationen.
Dabei stellte die Kultserie der 70er Jahre „Ein Herz und eine Seele“ unsere Mütter und unsere Väter prototypisch so da, wie sie wirklich waren. Ekel Alfred war der klassenübergreifende Durchschnittsdeutsche. Ordinäre Vorurteile und voller Ressentiments gegenüber jedem und allem Fremden. Bei jedem Gegenstand ohne wirkliche Ahnung mitreden, anderen aufbrausend das Wort abschneiden und diese, und alle beschwichtigenden Frauen sowieso, als Idioten abstempelnd. Alles besser Wissen und immer das letzte Wort. Und dann sollte ihnen auch noch abgenommen werden, dass sie von all dem Nichts gewusst hatten. Sie waren zu feige, dazu zu stehen, dass sie damals nichts wissen wollten und heute nichts wissen wollen – wie gegenwärtig ihre Enkel.
Und diese Serie tabuisierte genau das, was die wirklichen Väter und Mütter tabuisierten und nur im engsten Kreise Gleichgesinnter von sich gaben: ihre antisemitischen Ressentiments, die sich schon damals krämerseelenhaft wegen der „Wiedergutmachung“ auf Israel fokussierten. Und viele Nachwachsenden vermissten bei Alfred jenen „Ausrutscher“ der wirklichen Väter, die solch langhaarige Juso-(Schwieger)söhne schon im leicht angetrunkenen Zustand anzischten: „Einer wie du, der wäre früher ins Arbeitslager gekommen oder vergast worden.“
Die Abwehr der tatsächlichen Praxis des Durchschnittsdeutschen als williger Vollstrecker der Endlösung der Judenfrage durch die verdrängende Generation der Söhne, wie sie sich in der deutschen Debatte um die Studie von Goldhagen zeitigte, war der entscheidende Wendepunkt hin zum Ziel der Relativierung der Shoah zwecks Selbstfindung einer nationalen Identität.
Der endgültige ideologische Durchbruch der Totalitarismusthese und der Relativierung der Shoah erfolgte nur ein Jahr später (1998) im Zuge der deutschen Rezeption19 des „Schwarzbuch des Kommunismus“20. Die Tatsache, dass der Staats-Kommunismus des 20. Jh. eine riesige Blutspur hinter sich herzieht, machte diese Aufrechnung der Verbrechen als pures Zahlenwerk bis ins links-bürgerliche Lager und insbesondere bei den öffentlich Konvertierten zum Seelenelixier. Diese Teilwahrheit über den kommunistischen Aufbruch und Niedergang des 20. Jh. prädestinierte das Machwerk zur Funktionalisierung für die Reformulierung der deutschen nationalen Ideologie.
Herausgeber Courtois selbst besorgte im Einleitungskapitel das deutsche Anliegen gründlich: Seht her, die Kommis haben 100 Mio. Leichen auf dem Buckel, die Nazis nur so um 50 Mio.! Im Grunde waren die Deutschen die Opfer! Zählt etwa ein jüdisches Kind mehr als ein Kulakenkind? Nur die jüdische Gemeinde und Israel hält die „Einzigartigkeit“ der Shoah propagandistisch offen, um damit Politik zu machen!
Die Aufrechterhaltung der Singularitäts-These der Shoah habe nach Courtois Auffassung den Blick auf die kommunistischen Verbrechen verstellt. Diese zahlenfetischistische Auflistung von Leichenbergen als einziges Vergleichs-Kriterium ohne jedwede systematische Unterscheidung, moralisch aufgeladen samt antisemitischem Ressentiment reichte hin, die deutschen Herzen aufjauchzen zu lassen. Immerhin kam der Stoß am Sockel von Auschwitz als historischer Singularität diesmal von „links“ und dann noch aus Paris, der Weltstadt der Linken. Hiermit lieferte das Schwarzbuch genau die richtige „glaubwürdige“ Steilvorlage zum rechten Zeitpunkt zur Relativierung des NS einschließlich Auschwitz.
In der deutschen Debatte ging es gar nicht um den Kommunismus, sondern um dessen Funktion zur Entlastung vom eigenen Makel. Während die Diskussion des Buches in Frankreich hohe konträre Wellen schlug, wurde es in Deutschland regelrecht internalisiert für die Suche nach einem neuen deutschen nationalen Selbstverständnis.
„Schon unmittelbar nach Erscheinen der französischen Ausgabe würdigte der konservative Historiker Heinrich August Winkler das 'Schwarzbuch' als einen Versuch, 'den nationalsozialistischen Judenmord vom Sockel der negativen Singularität zu stoßen'.(12) Vom Sockel der negativen Singularität: Im Mißgeschick dieser Metapher ist das dynamische Element der deutschen 'Schwarzbuch'-Rezeption auf den Begriff gebracht. Gleich jener Vendôme-Säule, die die Pariser Kommunarden 1871 von ihrem Sockel stießen, wird hier 'Auschwitz' als ein ebenso verhaßtes wie verwittertes Denkmal imaginiert, das endlich – welch Befreiungsschlag! – der Vergänglichkeit überführt wird, indem man es erledigt, also "vom Sockel stößt". Der wichtigste Tagesordnungspunkt der deutschen Debatte war damit bereits benannt: den Konsens über die Singularität von Auschwitz zu kippen, der im Historikerstreit von 1986 zumindest im linksliberalen Lager noch erzielt worden war.“21
Die redaktionelle Renegaten-Schar der taz lief bei diesem Unterfangen zur Höchstform der Revision der deutschen Geschichte auf. Seither muss sich jeder warm anziehen, der an der Weiterforschung des Problemkomplexes Shoah festhält und dies öffentlich kundtut. Jenen Zeitgenossen wird krankhafter „Wiederholungszwang“ bescheinigt, Suche nach einer „Ersatzreligion“ unterstellt, gar des „religiösen Wahns“ bezichtigt. Hierbei waltet widerliche hochmütige Despektierlichkeit und Denunziation, eine Verachtung an der Grenze zum Hass. In diesem Zuge setzte die Diffamierungsschiene des Vorwurfs von „Tabuwächter“ „Tugendwächter“ „Zensor“ ein, die bis heute läuft.
1998 packte dann, wie schon erwähnt, der nationale Dichter M. Walser unter brausendem Applaus seine Auschwitz-Keule aus. Und die mehrjährige Wanderausstellung über die „Verbrechen der Wehrmacht“ zeigte den Unterschied zur „Bürgerarmee“: Seht her, der preußische Militarismus ist überwunden. Der Damm war soweit gebrochen, dass der Menschenfischer Joschka kurz danach zur „Begründung“ des deutschen Kosovo-Krieges seinen Krönungsschritt durchziehen konnte: Gerade wegen der Erinnerung an die Shoah vermag und ist Deutschland als Wächter der Menschenrechte geradezu verpflichtet, jedes zukünftige Auschwitz zu verhindern!
Der Kampf ist also längst zu Gunsten der Umdeutung der Shoah für die neue deutsche Identitätsfindung als „Wächternation der Menschenrechte“ gelaufen. Eine gelungenere Form heuchlerischer „Katharsis“ Deutschlands ist nicht denkbar. Das, was Nolte als „Singularität der Shoah als Ersatzreligion“ 1994 in die ideologische Kampfarena warf, wird heute so wie 2006 von Herrn Gauck im Kanon der Phrasen der deutschen Staatsraison regelmäßig reproduziert.
Allerdings wurde die Relativierung der Shoah unbewusst ebenso stark durch die funktionalistische Strömung der NS-Forschung befördert. Deren These ist, dass die Shoah integraler und rationaler bevölkerungspolitischer Bestandteil des NS zur Lösung der sozialen Frage gewesen sei, und nur durch eine nach US-Muster modernisierte Bürokratie möglich wurde. Dies stand der These Diners diametral entgegen, wonach die Shoah die Irrationalität des NS ausmachte.
"Mit den Juden ließ sich (...) ein großer Teil der sichtbaren Armut vernichten, verschwanden die elendsten Quartiere in den Städten. Völkermord war hier eine Form, die soziale Frage zu lösen."22
Diese wissenschaftlich verbrämte, schiefe bis unwahre Behauptung des gemeinen Menschenverstands subsummiert jede Kategorie der Besonderheit der Judenvernichtung unter jene der Allgemeinheit der völkisch-rassistischen Bevölkerungspolitik des NS. Auf dem antiimperialistischen Pol der Funktionalisten agiert Karl-Heinz Roth als der beste deutsche Kenner der Sozialgeschichte des 20. Jh. Er kann auf ein von ihm und anderen akribisch zusammengetragenes riesiges Zahlenwerk und weitreichende Dokumentensammlungen zurückgreifen. Seine eigene Position bezüglich NS kommt in seiner Würdigung von 2012 der Arbeit von A. Tooze, The Wages of Destruction von 2008 treffend zum Ausdruck:
„Auch wenn er sich dabei etwas zu einseitig auf den Nachweis dieser konzeptionellen Achse in Hitlers „Zweitem Buch“ stützt und die teilweise modifizierenden Facetten des „Amerikanismus“ bei den tragenden Herrschafts- und Funktionseliten ausblendet, hat Tooze damit doch einen roten Faden gefunden, auf den sich die teilweise so disparat und einander fremd gewordenen Felder der historischen Forschung beziehen lassen. Dies trifft insbesondere auf die funktionelle Analyse des Rassismus zu, der, ohne dadurch in seiner Bedeutung relativiert zu werden, in den Gesamtkontext einer radikalisierten imperialen Expansionsstrategie integriert wird.“23
„Von besonderer Bedeutung erscheint mir drittens Toozes Bestreben, die sich zunehmend ihrer politisch-ökonomischen Kontexte entledigende Holocaust-Forschung in die Historiographie des deutschen Faschismus zurückzuholen. Hierzu gehören insbesondere seine Reflexionen über die Zusammenhänge zwischen dem Völkermord an den europäischen Juden sowie großen Teilen der slawischen Bevölkerung und den Kalkülen der Hungerpolitik, noch mehr aber die Analyse der Wechselbeziehungen zwischen dem Holocaust und den Strukturen der Zwangs- und Sklavenarbeit, die vor allem durch das Konzept der „Vernichtung durch Arbeit“ vermittelt und umgesetzt wurden. Alle diese in der historischen Forschung intensiv untersuchten Phänomene extremer Gewalt und genozidaler Vernichtung werden letztlich erst durch ihre Integration in die übergreifende Struktur der Nazi-Ökonomie analytisch fassbar. Sie summierten sich zu einer abgründigen Effizienz, die sich in den makroökonomischen Grunddaten spiegelt. Anhand der neuesten quantitativen Zahlenwerke, die die jüngere Generation der deutschen Wirtschaftshistoriker im Verlauf der 1990er Jahre erarbeitete, kommt Tooze zum Schluss, dass die deutsche Wirtschaft unter dem Dach des raub- und rüstungswirtschaftlichen Regulationssystems der NS-Diktatur zwischen 1936 und 1943 die bislang größten Investitionsraten und Kapitalrenditen ihrer Geschichte erzielt hat.“24
So einfach ist das: funktionale Radikalisierung des Rassismus für die Expansionstrategie des deutschen Imperialismus, auf harten Zahlen aufbauende wirtschaftspolitische Analyse des NS als übergreifendes Moment, „abgründige Effizienz“ „amerikanisierter“ Herrschaftseliten am Reißbrett25, die sich in „makroökonomischen Grunddaten spiegelt“. Und alle einzelnen Mordrasereien des deutschen Wesens sind unter den NS funktional integriert. Der funktionale Zusammenhang zwischen diesen eskamotiert die Frage, warum sich denn ein Teil der NS-Forschung jenseits „politisch-ökonomischen Kontextes“ bezüglich der Shoah entwickelt hat, der demnach nicht-funktional für den NS gewesen sein soll.
Roths empirisch gewonnene Position ist keineswegs platt wie die 1935 auf dem VII. Weltkongress der Komintern vorgetragene phrasenhafte Dimitrow-These der KI, wonach der Faschismus „die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“ sei.
Tooze oder Roths politisch-ökonomische Ansätze sind nicht falsch oder haltlos, sie haben im Gegenteil ihre eigene – jedoch begrenzte – empirisch belegte Aussagekraft. Denn diese Analysen vermögen als eine sehr wichtige Teil-Wahrheit die nichtidentischen Momente der Shoah, die über die ökonomische und politische funktional-analytische Herangehensweise an den NS hinaus gehen, nicht zu erfassen, sondern blenden sie wie die KI-Definition des Faschismus aus. Die Ansätze von Diner als auch Roth begreifen die Kategorie der Besonderheit der Shoah bezüglich der ihr zu Grunde liegenden Kategorien der Allgemeinheit bürgerlicher Ideologieproduktion nicht.
So spielen noch die klügsten Gedanken ungewollt der Stiftung einer neu-deutschen nationalen Identität in die Hände, bei der die Shoah zur „Begründung“ der Berufung Deutschlands zur „Wächternation der Menschenrechte“ verkehrt wird.
1 Nico Fried:Fischer: „Ich habe gelernt: Nie wieder Auschwitz“. In: Süddeutsche Zeitung. 24. Januar 2005, auf Dr. h.c. Fischers „Fähigkeiten“ in manchen Lebenslagen kommen wir gezwungenermaßen wiederholt zurück.
2 Moishe Postone schrieb angesichts der Tatsache, dass die Linke den Bitburg-Besuch faktisch ignorierte und stattdessen zu einer großen Anti-Reagan Demonstration in Hamburg mobilisierte, in einem offenen Brief an die deutsche Linke u.a.: „Daß so viele auf der Linken die ganze Angelegenheit offenkundig als eine zweitrangige Störung betrachten, als ein Stück Show-Business ohne politische Bedeutung, bringt ein Maß von Blindheit zum Ausdruck, das seinerseits nur bestätigt, wie weitgehend die fundamentale Verdrängung im Kern des nachkriegsdeutschen sozialen Bewußtseins die Gegenwart durchdrungen hat und an eine neue Generation übertragen worden ist.“ Postone, Moishe: „Bitburg: 5. Mai 1985 und danach. Ein Brief an die westdeutsche Linke“, in: Bahamas, Nr. 10 (1993), S. 27. Die antideutsche Zeitschrift „Bahamas“ veröffentlichte den Brief 1993 zum ersten Mal ungekürzt.
3 Zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Ansprache des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 in der Gedenkstunde im Plenarsaal des Deutschen Bundestages.
4 Wie sollten der deutsche Volksgenosse den 8. Mai 1945 als Befreiung begreifen: großangelegte Befragungen nach 1955 ergaben, dass der Durchschnittsdeutsche den Zeitraum von 1942 und 1948 als „schlimmste Zeit“ ansah!
5 Ernst Nolte, Vergangenheit die nicht vergehen will. 6. Juni 1986 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
6 Eine Übersicht aus dem Jahre 1988: Peter Borowsky, Der Historikerstreit. Wie geht die deutsche Geschichtswissenschaft mit der nationalsozialistischen Vergangenheit um?
7 Jürgen Habermas, Eine Art Schadensabwicklung. Apologetische Tendenzen in der deutschen Zeitgeschichtsschreibung. Die Zeit, 11. Juli 1986
8 Diese Tendenzen erfuhren schon 1980 Widerspruch von bürgerlicher Seite: Jürgen Habermas (Hrsg.): Stichworte zur geistigen Situation der Zeit. (1979) 2 Bände, Suhrkamp, 3. Auflage, Frankfurt am Main 1980, Vorwort Seite 21; Hans Mommsen: Die Last der Vergangenheit, Band 1, S. 164-184; Wolfgang J. Mommsen: „Wir sind wieder wer“ Wandlungen im politischen Selbstverständnis der Deutschen, Band 1, S. 185-209; Hans-Ulrich Wehler: Geschichtswissenschaft heute, Band 2, S. 709-753
9 Dan Diner, Zwischen Aporie und Apologetik – Über Grenzen der Historisierbarkeit des Nationalsozialismus. In ders. (Hg.): Ist der Nationalsozialismus Geschichte?
11 Das Standardwerk, das die breite Zusammenarbeit von Einzelpersonen und NS-Organisationen dokumentarisch belegte, deren Initiativen erst die Dynamik der Inangriffnahme und Umsetzung der „Endlösung“ ermöglichten, verfasst von Raul Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden, lag schon 1955 fertig vor. Es erschien auch in den USA erst 1961 durch einen Gönner gesponsert als Buch in einem unbedeutenden Verlag. In Deutschland blockierten bekannte Verlage seit 1963 sein Erscheinen, Olle & Wolter sowie Büchergilde Guttenberg brachten 1982 kleine Auflagen, erst 1990 kämpfte sich der Fischer Verlag zu einer Taschenbuchausgabe durch.
12 Dan Diner, Zwischen Aporie und Apologetik – Über Grenzen der Historisierbarkeit des Nationalsozialismus. In ders. (Hg.): Ist der Nationalsozialismus Geschichte? S. 154
16 Ernst Nolte, Ein Gesetz für das Außergesetzliche. Die Strafbarkeit der „Auschwitzlüge“ - gut gemacht, aber nicht unbedenklich. In: FAZ, 23. August 1994.
17 Goldhagen, Daniel (1996): Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, Siedler Verlag
18 Vgl.: Stiepel, Anna, (2011): Der „hässliche Deutsche“. Kontinuität und Wandel im medialen Außendiskurs über die Deutschen seit dem Zweiten Weltkrieg. Europäische Hochschulschriften Band 2013, Verlag Peter Stein. Inhalt: Reden über Deutschland und die Deutschen - Nation als Kulturthema – Der „hässliche Deutsche“ im medialen Aussendiskurs – Filmische Reflexionen des Nationalsozialismus aus 60 Jahren Filmgeschichte – Die Figur des Nazis im Film: das banale, das geniale und das gute Böse – Die Pulp-Fictionalisierung des Nationalsozialismus.
19 Zur Rezeptionsgeschichte von: Das Schwarzbuch des Kommunismus
20 Stéphane Courtois u.a. Das Schwarzbuch des Kommunismus. Unterdrückung, Verbrechen, Terror, München 1998
21 Matthias Küntzel, „Auschwitz vom Sockel stoßen“ Zur Entlastungsfunktion des „Schwarzbuches“ im neuen deutschen Diskurs. In: Jens Mecklenburg, Wolfgang Wippermann (Hrsg.) „Roter Holocaust? Kritik des Schwarzbuches des Kommunismus“, Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1998. Die dortige Fußnote (12): Heinrich August Winkler, Der Stoß kommt von links, in: Die Zeit, 21.November 1997.
23 Seite 5: Karl Heinz Roth, Wages of Destruction? Adam Toozes Auseinandersetzung mit der Wirtschaftspolitik des deutschen Faschismus
25 Aly, Götz; Heim Susanne (2004): Vordenker der Vernichtung: Auschwitz und die deutschen
Pläne für eine neue europäische Ordnung. Fischer Verlag, Neuauflage von 1991.
Sowie: Aly, Götz; Karl Heinz Roth (2005): Die restlose Erfassung. Volkszählen, Identifizieren, Aussondern im Nationalsozialismus. Studie, die schon 1984 entstand.