Zum Schluss die potentiellen Opfer-Täter-Verschiebungsmuster Deutschlands, wenn andere Länder als neue äußere Feinde ins deutsche großmachtpolitische Visier geraten. Deutschland kann dann offensichtlich propagandistisch und politisch auch ganz anders agieren, als bei seiner gegenwärtig übergreifenden Appeasement-Politik in Nahost.
Die Kontinuitätslinie der deutschen Destabilisierungspolitik auf dem Balkan nach 1989 zeigte das andere Gesicht des Friedensgesäusels des militärisch impotenten, ökonomischen Riesen Deutschland.
In der Jugoslawienkrise 1990 schlug sich das gerade souverän gewordene Deutschland sofort auf die Seite der Separatisten Kroatiens und Sloweniens. Dazu eröffnete es eine mediale Kampagne gegen das sprachlich inhomogene „Völkergefängnis Jugoslawien1“ mit Rückgriff auf die feudale deutsche Volkstums-Politik. Dies war der Prolog eines offiziellen Rückfalls in die regressive völkische Destabilisierungs-Politik bis 1945 des Teilens und Herrschens als Formen deutscher Herrschaftsausweitung, bei der das nationale Gesamtkapital Deutschlands auf Grund seiner Größe durch die Zerlegung anderer nationaler Gesamtkapitale in regionale Rumpfkapitale diese sich selbst durch große ökonomische Abhängigkeit mittels politischer Protektion unterwirft. In ganz Europa und insbesondere auf EU-Ebene setzt die BRD die Minoritäten-Organisation Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen (FUEV)beispielhaft als sezessionistisches Wühlinstrument ein.
Bezüglich der aktiven Zerschlagung Jugoslawiens verfolgt die BRD das völkische Auseinanderdividieren von Nationalstaaten selbst in der autonomen Provinz Vojvodina – wo eine ungarisch sprechende Minderheit lebt, an welche Budapest (nach deutschem Vorbild in Tschechien und Polen) ungarische Pässe ausgibt – gegenwärtig weiter. Nationalstaatliche Destabilisierung betreibt Deutschland an vielen anderen nationalistisch-separatistischen Krisenherden durch Unterstützungsmaßnahmen im Jargon regressiver Volkstums-Ideologie – hierauf wird wiederholt sowie in einem Exkurs zurückgekommen. Für alle Fälle haben hier in der BRD Organisationen von Autonomiebewegungen z.B. der Tibetaner, Uiguren und Tschetschenen ihren Sitz, wie vordem die kroatischen und kosovarischen Separatisten-Organisationen.
Und nachdem die BRD nach einem Jahr intensiver diplomatischer Offensive und öffentlicher Propagandaarbeit endlich 1999 an der UNO vorbei die Bombardierung Serbiens zwecks Abspaltung der Teilrepublik Kosovo erreichte, griff die deutsche Propaganda zum letzten Mittel, um den NATO-Krieg zu Hause ideologisch zu legitimieren. Der damalige Bundesverteidigungsminister Scharping zog die Karte Hufeisenplan aus dem Arsenal Desorientierung und Täuschung. Dieses Serbien untergeschobene Fake sollte den serbischen Plan eines Völkermords an den Kosovo-Albaner belegen.
Darüber ging der Außenminister Dr. h. c. Joseph Fischer – wie in Unterkapitel 14.1. skizziert – in infamer Göbbels`scher Manier der Opfer-Täterrollen-Verdrehung hinaus. Am 7. April 1999 sagte er: „Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz.“2 Gerade die Deutschen als Täter sind demnach am besten geeignet, Genozide zu verhindern. Die damit einhergehende ungeheuerliche Relativierung der Shoah geht inzwischen nicht nur bei jeder Gelegenheit medial durch, sondern ist in die deutsche Staatsraison integriert worden. Auf eine solche abgeschmackte Begründung eines militärischen Überfalls kann nur die deutsche Ideologie ignoranter maßloser moralischer Selbstüberhöhung kommen.
Das westliche Ausland rümpft angewidert die Nase ob des aufsteigenden Modergeruchs des deutschen Wesens. Und wiederum begriff die deutsche Linke nicht, dass Deutschland der Hauptkriegstreiber war. Die Reste der sich verdünnisierenden deutschen Antikriegsbewegung erkor die USA blindlings zum Hauptkriegstreiber. Inzwischen kommt die vorhin erwähnte teutsche Wirtschaftskonfession des Friedrich Naumann auf dem Balkan als Peitsche der Weltmarktkonkurrenz ein gutes Stück voran. Seither hat sich die neu-deutsche Phrase, dass Menschenrechte vor Völkerrecht gehen, faktisch als Legitimierung von Kriegen in der NATO durchgesetzt wie zuletzt in Libyen und gegenwärtig in Syrien – denn selbst die USA kann es sich im medialen Krieg nicht mehr leisten, als egoistischer Imperialist der „Freiheit“ dazustehen.
Was zudem in der deutschen Propaganda nicht laut gesagt wurde, aber von den EU-”Partnern” richtigerweise als deutsche Drohgebärde verstanden wurde: alle wichtigen westeuropäischen Länder sind, wie schon ein paar mal angesprochen, separatistisch bedroht: England bezüglich Nordirland und Schottland, Belgien bezüglich Flandern, Frankreich bezüglich Korsika und Elsass (?), Spanien bezüglich Katalonien3 und Baskenland, Italien bezüglich Pandania/ Norditalien/ Südtirol/ Umbrien. Nur Deutschland scheint kein “Völkergefängnis” zu sein?4
Zwanzig Jahre Berliner Republik belegen, dass Deutschland als militärischer Winzling notgedrungen vornehmlich den völkischen Weg des Teilens und Herrschens geht, um den Status quo instabiler Länder zu seinen Gunsten zu ändern. Die dabei notwendigen Opfer-Täter-Verschiebungsmuster liegen schon lange vor. Ob es nun um den beseitigten Serbien-Riegel auf dem Balkan ging. Oder ob „China als gelbe Gefahr“ durch tibetische oder uigurische Autonomieunterstützung destabilisiert werden kann. Oder wenn Belgien in deutschen Leitblättern eh jede nationale Identität abgesprochen wird. Nie geht es um die „Völker“. Stets geht es ums deutsche Teile und Herrsche. Jedes Mal wird die längst vermoderte, borniert feudale Folie des Phantasmas völkische Homogenität aus der Blut- und Bodengruft gezogen, um die Karte „Vielvölkergefängnis“ auszureizen. Und das ganze Volk geht da wieder mit. Nicht unbedingt willig ist es für Krieg, wenn der zu teuer wird und es nicht um die Beute für sich im Voraus weiß. Aber bisher ist Verlass auf die Deutschen als scheinbar klassenloser Volksgemeinschaft.
2 Nico Fried: Fischer: „Ich habe gelernt: Nie wieder Auschwitz“. In: Süddeutsche Zeitung. 24. Januar 2005; Auf die Umstände dieser strategischen Meisterleistung des ehemaligen Turnschuh-Politikers Joschka wird im Abschnitt zur deutschen Außenpolitik noch genauer eingegangen.
3 Es kann ja wohl keine Unkenntnis über katalanische Separationstendenzen geherrscht haben, als Katalonien 2007 das Gastland der Frankfurter Buchmesse wurde. Erstmals in der Buchmessegeschichte wurde somit eine Region und deren Sprache vorgestellt, was nur als Provokation gegen den einheitlichen spanischen Nationalstaat interpretierbar ist.
4 Noch mag das 2012 vorgestellte Buch des alten Bayernkurier-Chefredakteurs belächelt werden: Wilfried Scharnagl, Bayern kann es auch allein, Verlag Quadriga 2012; Siehe: Annette Ramelsberger, Scharnagl und der unabhängige Freistaat - Bayern gegen die globalisierte Welt Süddeutsche Zeitung vom 31.08.2012