Organisationspolitisches Interesse

-DD- 12.11.2013 heise online,
Arno Klönne: Der DGB als stiller Teilhaber von Schwarz-Rot?
 

 

„Schon vor der Bundestagswahl konnte kein Zweifel sein: Die Spitzenfunktionäre von zwei der drei größten Einzelgewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund, der IG Metall und der IG Bergbau-Chemie-Energie, setzten für die neue Legislaturperiode auf eine Große Koalition. Schwarz-Rot war ihre Perspektive.

Die ebenfalls mitgliederstarke Gewerkschaft ver.di war da eher zurückhaltend, sie ist politisch etwas bunter gefärbt. Im DGB-Vorstand schloss man sich der Option von IGM und IGBCE an. Und für die Entscheidung der SPD-Spitze, eine regierende Partnerschaft mit der CDU/CSU anzustreben, waren Ratschläge aus gewerkschaftlichen Führungskreisen gewiss förderlich ...

 

Ein für die Große Koalition günstiges Politikmuster herrscht auch an der gewerkschaftlichen Basis vor. Demoskopisch hat sich herausgestellt, dass wählende Gewerkschaftsmitglieder zu fast 70 Prozent ihre Zweitstimmen für den Bundestag der SPD oder (mit nur geringem Abstand) der CDU/CSU gegeben haben. ...

 

In den Vorständen der DGB-Gewerkschaften wird zudem erwartet, eine Große Koalition werde dem eigenen organisationspolitischen Interesse nützlich sein. Ein Beispiel auch dafür: Seit längerem schon wünscht man sich hier, unterstützt von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, eine gesetzlich vorgeschriebene ‚Tarifeinheit‘ in den Betrieben. Das Streikrecht würde dabei eingeschränkt, aber eingedämmt die Konkurrenz von Seiten kleiner, aktivistischer Spartengewerkschaften außerhalb des DGB, wie etwa des Lokführerverbandes. ... “ [mehr lesen!]

 

Man muss wohl schon dankbar sein, wenn aus der politischen Linken jemand an die Gefahr erinnert, die dem Streikrecht in Deutschland von Seiten maßgeblicher Kräfte in den Gewerkschaften – und zwar ganz akut – droht. Das Bundestagswahlprogramm der LINKEN beispielsweise hat sich da völlig ahnungslos gegeben und, statt gegen gesetzliche Einschränkungen, die einmütig von Arbeitgeberverbänden und Sozialdemokraten gefordert werden, unzweideutig Front zu machen, selber gesetzliche Eingriffe ins Streikrecht verlangt – zu seiner „Verbesserung“ natürlich, für die es jedoch, wenn sie denn, was zweifelhaft ist, überhaupt möglich und nötig wäre, weit und breit keine parlamentarische Mehrheit in Sicht ist; für das Gegenteil dagegen schon.

 

Arno Klönne verkennt indes die Motivation, die die bestimmenden Kräfte in den Gewerkschaften zu so etwas sich versteigen lässt. Man habe dort einen „epochalen Wandel der Arbeitsgesellschaft“ verschlafen, schreibt er, und halte fest am „Bild einer festen und vollen Beschäftigung der Arbeitnehmer, dauerhaft in ein und demselben Betrieb“. Wann es die zu diesem Bild passende „Arbeitsgesellschaft“ denn gegeben haben soll, verrät er freilich nicht. In Wahrheit entsprach ihm immer nur das Schicksal eines bestimmten, manchmal größeren, meist aber eher kleineren Teils der Arbeitnehmerschaft. Eine bestimmte, von Lenin einst als „bürgerliche Arbeiterpolitik“ bezeichnete Strömung in den Gewerkschaften, die wir heute als Sozialdemokratie kennen, hat allerdings immer schon ihre Politik an jenem Bild ausgerichtet, also statt Zusammenschluss und Einheit der Arbeitnehmerschaft, deren Spaltung betrieben. Die Katastrophe von 1933ff war das definitive Resultat dieser Politik, die gleichwohl in der sehr besonderen Konstellation einer etwa 40 Jahre andauernden Nachkriegsordnung namentlich hierzulande den Anschein eines Erfolgsmodells erhielt. Damit hat dann der Sozialdemokrat Schröder endgültig Schluss gemacht.

 

Leise, aber umso nachdrücklicher unterstützt wurde er dabei wiederum von seinen Genossen in den Gewerkschaften, was Klönne regelrecht schönfärberisch dahingehend umschreibt, „die Gewerkschaften“ hätten Schröders Reformen „unter verbalem Protest hilflos hingenommen“. Ach wär es doch nur so! Die sozialdemokratisch geführten Gewerkschaften „hilflos“ und darauf wartend, dass Schlauköpfe ihnen mit gutem Rat beiseite sprängen!

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Nicht seine Kritik der politischen Ökonomie lieferte Marx den Schluss auf jenes „revolutio-näre Subjekt“ namens „Prole-tariat“ – herleiten lässt sich aus ihr nichts dergleichen –, son-dern genau andersherum be-gründete die schiere Evidenz des Daseins und Wirkens die-ses Subjekts allererst eine Kritik der politischen Ökonomie, die das Kapital als „Durchgang“ hin zur menschlichen Gesellschaft diagnostiziert. Striche man da-gegen aus der Marxschen Di-agnose dieses einzige wahrhaft historisch-subjek­tive Moment darin aus, bliebe von ihr nur das Attest eines unaufhaltsa-men Verhängnisses.(*)

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