28. Zwischenbilanz II: Deutschlands Stellung nach dem Kosovo-Krieg 1999

Deutschlands Stellung auf dem politischen Weltparkett und insbesondere in Europa war nach dem Kosovo-Krieg 1999 eine andere, ungleich stärkere, als zum Ende des Kalten Krieges:

  • Deutschland trieb im Kosovo-Konflikt seine NATO-„Partner“ gekonnt vor sich her und festigte seine politische Vormachtstellung in Europa mit der Durchsetzung des Krieges als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.

  • Der deutsche NATO-Krieg unter Führung der USA gegen die BR-Jugoslawien um die Abtrennung des Kosovo war der erste Krieg, der nach 1945 wieder von deutschem Boden ausging. Deutschland schuf seine Normalität des Angriffskrieges in Regierungsverantwortung der neudeutschen Kriegsparteien SPD und DIE GRÜNEN unter Flankierung des DGB. Somit hat sich die friedensbewegte Phrase von „Nie wieder Krieg“ für immer erledigt, was die Gutmenschen nicht hindert, diese weiterhin unreflektiert vor sich herzutragen. Die „Partner“ wissen seither, dass die deutsche Volksgemeinschaft ohne jede wirkungsvolle Opposition hinter dem Ausbau der deutschen Weltmachtrolle und Vorherrschaft in der EU steht. Auch diesmal gab sich der deutsche Michel arglos und will bis heute von nichts wissen.

  • Deutschland hat seine Fähigkeiten zu aggressiver intriganter Diplomatie, übler revisionistischer Kriegstreiberei und skrupelloser Kriegsführung erstmals wieder offen vor aller Weltöffentlichkeit – außer der deutschen – bewiesen. Alle westlichen Staaten wissen nun: das hässliche Deutschland ist wieder da und entwickelt unbeirrt über den Zwischenschritt Europa zuerst neue Großmachtambitionen mittels völkischer Destabilisierungspolitik anderer Staaten je nach eigener Interessenlage, wenn sich günstige Gelegenheiten bieten.

  • Die BRD bewies Wille und Fähigkeit zur Kriegsführung unter Inkaufnahme der Zerstörung eines Staates ohne wirkliche Perspektive für Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Mazedonien und Kosovo als funktionsfähige Nationalstaaten. Vielmehr erzeugte Deutschland als Protektor weitere Separationsgelüste alter ausstehender nicht beglichener völkischer Rechnungen nicht nur auf dem Balkan, sondern in ganz Europa und darüber hinaus, sobald diese in der gegenwärtigen Großen Weltwirtschaftskrise auf Basis ungleichmäßiger Entwicklung innerhalb der Nationen hochgekocht werden.

  • Die BRD schaffte es mit ihrem Durchmarsch, die anderen europäischen Länder sowie die USA noch tiefer in ihr angezetteltes Balkanabenteuer hineinzuziehen. Ansonsten drohte ihnen der Verlust jedweden Einflusses auf dem Balkan, beziehungsweise das Ausbrechen der BRD auf einen unkalkulierbaren Sonderweg und das faktische Ende der NATO.

  • Deutschlands vorausgehende Scheckbuchdiplomatie zur völkischen Neuordnung des gesamten Balkanraums erwies sich gegenüber den planlosen taktischen Re-Aktionen der USA zur Aufrechterhaltung der Stellung der NATO von durchschlagendem Erfolg.

  • Deutschland brauchte um die Jahrtausendwende die NATO nicht mehr für seine Interessen-Durchsetzung in Europa, da der äußere Feind Nummer eins, der Bolschewismus, vom Erdboden verschwunden ist. Deutschland will die NATO plus P4P nicht mehr. Der Kosovo-Krieg war Deutschlands erster militärpolitischer Anlauf, sich und „Europa“ aus der militärischen Umklammerung und Vorherrschaft der USA zu lösen.

  • Deutschland versuchte, wie zuvor skizziert, seit 1992 erpresserisch, mit der WEU den Weg zu einem eigenständigen europäischen militärischen Arm der EU einzuschlagen. Der Vertrag von Lissabon von 2007 gibt nun nach Auflösung der WEU die Richtlinien zur innereuropäischen Aufrüstung vor. Doch alle EU-“Partner“ mauern hierbei bisher so gut sie können, um Deutschlands militärisches Potential als EU-Hegemon möglichst zu minimieren – was an anderer Stelle zu behandeln sein wird.

  • Das St. Malo Abkommen von 1998 zeigt, dass Frankreich und England ihre militärisch-nukleare Domäne schon vorsichtshalber in Stellung gebracht haben, um die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht in die Hände eines wie zuvor geschilderten nach 1989 allzu expansiven Deutschlands fallen zu lassen.

  • Deutschland hat in der Dekade nach dem Abschluss des Maastricht-Vertrags 1992 mit seiner blitzkriegsartigen ökonomischen Durchdringung der mitteleuropäischen Volkswirtschaften diese Staaten dem stummen Zwang der Verhältnisse gemäß (wie immer) mit Zuckerbrot und Peitsche bis zum Jahr 2004 in die EU gekeilt und somit den EU-Markt wesentlich zu seinen Gunsten vergrößert.

  • Deutschland trieb den Maastricht-Vertrag des Übergangs der EU von einem reinen Binnenmarkt zu einer Wirtschaftsunion und zusätzlich zu einer Währungsunion der wichtigsten ökonomischen EU- Länder (außer Großbritanniens) nach eigenen Vorstellungen und Vorgaben entschieden voran. Auf dem Amsterdamer EU-Gipfel 1997 wurde unter großen sozialen Protestaktionen der deutsche „EU-Stabilitätspakt“ gegen die Überschuldung der 15 EU-Mitgliedsstaaten durchgesetzt, ohne Defizit-Spending Maßnahmen gegen die Massenarbeitslosigkeit zu ergreifen. Die Währungsunion ging überhastet im Jahr 2000 in die zweite Phase. Tatsächlich erweist sich in der Staatsschuldenkrise seit 2010, dass die Währungsunion (in Nachfolge des EWS) der im Schäuble/Lamers-Papier charakterisierte „harte politische Kern“ der EU ist, den Deutschland brutal zu seiner Neuordnung Europas als europäischen Bundesstaat „wettbewerbsfähiger“ Nationalstaaten einsetzt – bisher noch mit Erfolg gegen zunehmenden Widerstand der „Partner“.

    In der Rückschau von 2013 gesehen, war der deutsche NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999 der endgültige Wendepunkt von der multilateralen Außenpolitik der Ära Genscher/Kohl und der nachfolgenden bürokratisch fordernden Außenpolitik der Kinkel-Kohl-Zeit hin zur offenen politischen Hegemonie Deutschlands in der EU unter der Ägide der neu-deutsch-nationalen Fischer-Schröder-Gang. In der Anfangs-Boom-Phase der stark unterbewerteten Euro-Währung wurden die nationalen Widersprüche innerhalb der vier großen EU-Nationalstaaten verdeckt, um sich mit Beginn der Großen Weltwirtschaftskrise 2006, als deren temporären Gewinner die BRD 2013 dasteht, unter öffentlichkeitswirksamen nationalen kommunikationsstrategischen Ausfällen zu verschärfen.

  • Deutschland wurde nach 1989 zum Hauptgläubiger Russlands, das 1991 zahlungsunfähig war und 1998 Staatsbankrott1 anmelden musste. Auf Grund dieser asymmetrischen Stellung konnte Deutschland den alten pan-slawischen Protektor Russland in den Balkankrisen nach 1990 Zug um Zug vor den Kopf stoßen, es auf Distanz zur EU halten, um es zugleich auf seinen eigenen Schachbrettern aufs diplomatische Parkett des Weltmarkts zu hieven. Die Strategische Partnerschaft BRD-Russland versteckt sich hinter einem EU-Rahmen2. Er umfasst „Vier gemeinsame Räume der Partnerschaft“ – „Gemeinsamer Wirtschaftsraum …“ – „Gemeinsamer Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ – „Gemeinsamer Raum für die Zusammenarbeit bei der äußeren Sicherheit: Dieser richtet sich im Wesentlichen auf die Erweiterung der außen- und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit bei gleichzeitiger Betonung der Bedeutung internationaler Organisationen, wie beispielsweise der Vereinten Nationen, der OSZE und des Europarats.“ – „Gemeinsamer Raum für Forschung, Bildung und Kultur….“

 

Der Prozess Russen rein, Amis raus, Deutsche rauf ist in seiner ganzen Widersprüchlichkeit bis heute in Gange. Deutschland kann Russland nicht als Mitglied der EU akzeptieren, da dessen strategisches Waffenarsenal Berlins Weltmachtbestrebungen mittels einer germanisiert neugeordneten EU auf machtstrategischem Feld zunichte machen würde und Deutschlands EU-Vorherrschaft potentiell durch eine bipolare Konkurrenz gefährden könnte. Den Amis wäre dies nur recht. Deutschland wiederum hebt Russland zugleich auf seinem diplomatischen Schachbrett aufs diplomatische Weltmarktparkett, um dem Ami und den EU-„Partnern“ gegenüber ein Erpressungsmittel offenzuhalten, notfalls im Bunde mit Russland in Abwendung vom Westen seinen eurasischen Sonderweg gehen zu können. Insbesondere obige Strategische Partnerschaft „Gemeinsamer Raum für die Zusammenarbeit bei der äußeren Sicherheit“ sollte im Auge behalten werden. Immerhin ist dort die NATO unerwähnt als zu konsultierende Organisation. Und diese ist immer noch das Instrument militärischer Vorherrschaft der USA in Europa. Die gegebenen Beispiele belegen den jedesmaligen selben Eröffnungszug Deutschlands, die USA durch maximalen Multilateralismus zu schwächen.

 

Außenminister Dr. h. c. Josef Fischer gab, während der NATO-Krieg ums Kosovo lief, seine heuchlerische Version eines scheinbaren Dilemmas zum Besten:

 

Der erste Generalsekretär der Nato, Lord Ismay, hat das Gründungsprogramm der Nato in einem sehr einprägsamen Satz zusammengefaßt. Lord Ismay sagte damals, Zweck der Nato sei, ‚to keep the Americans in, the Russians out and the Germans down‘ … Dieses Programm galt bis zum Ende des Kalten Krieges … [Es gab] ursprünglich einen Widerspruch zwischen der anglo-britischen Gründung der Nato und dem deutsch-französischen Versuch der Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Dieser Widerspruch zwischen der Bindung Deutschlands – von seinem Sicherheitsinteresse her – an die transatlantische Achse und der gleichzeitigen Bindung Deutschlands – von seinem europäischen Interesse her – an die deutsch-französische Achse ist bis heute ein konstitutives Element geblieben. … Diesen Widerspruch in eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Außenpolitik und eine Stärkung der europäischen Säule innerhalb der Nato aufzulösen, wird demnach die entscheidende Herausforderung der kommenden Jahre sein.“3

 

Die Phrase von den zwei „Achsen“ und der Bindung Deutschlands an beide unterschlägt, das Deutschlands „Normalität“ nach 1990 daran arbeitet, die militärpolitische transatlantische Achse zum Einsturz zu bringen und sich selbst zur europäischen „Achsenmacht“ zu erheben, an die die EU-„Partner“ sich anlehnen „können“ und verpflichtend gebunden werden sollen. Fischer unterschlug, dass die französische verteidigungspolitische Einbindung der jungen BRD Anfang der 1950er Jahre auf die Verhinderung einer eigenständigen deutschen Armee zielte. Dazu mehr im Abschnitt über die Entfaltung der deutschen Vormachtstellung in der EU in Teil II des Textes.

 

Hals, Kropf und Kamm des Bundesadlers schwollen nach seiner gelungenen Kosovo-Beizjagd vor Stolz an und der Griff seiner Krallen nach einem neugeordneten Europa ging in offenes Hegemoniegebaren über, das seine EU-Partner seither Richtung Vereinigte Staaten von Europa (VSE) drangsaliert. In den Augen der „Partner“ mutierte das scheinbare Pappkamerad-Vögelschen der Bonner-Ausnahmezustands-Republik zum Reichsadler eines neuen Heiligen römischen Reiches deutscher Nation (HrRdN), um sich so als EU-Hegemon in die Höhe einer Weltmachtrolle zu schwingen.

 

Am 12. Mai 2000 hielt der damalig amtierende Außenminister Fischer in der Humboldt-Universität in Berlin eine dem deutschen Machtzuwachs entsprechende „persönliche“ Grundsatzrede zu Europa mit dem wegweisenden Titel: Vom Staatenverbund zur Föderation – Gedanken über die Finalität der europäischen Integration.

 

Die Finalitätsdebatte, die Frage, welches Ziel die europäische Integration anstreben sollte, begleitete den Integrationsprozess Westeuropas seit der Gründung der Montanunion 1954 und wurde in Frankreich schon nach 1945 aufgeworfen. Schon die Überschrift machte klar, dass es um die VSE ging. Er – selbstverständlich nur „persönlich“ als Joschka, der „überzeugte Europäer“ – räsonierte:

 

Man kann es gegenwärtig fast mit den Händen greifen, dass zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges und mitten im Beginn des Zeitalters der Globalisierung die europäischen Probleme und Herausforderungen sich zu einem Knoten geschürzt haben, der innerhalb der bestehenden Vorgaben nur noch sehr schwer aufzulösen sein wird: Die Einführung der gemeinsamen Währung, die beginnende Osterweiterung der EU, die Krise der letzten EU-Kommission, die geringe Akzeptanz von europäischem Parlament und europäischen Wahlen, die Kriege auf dem Balkan und die Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik definieren nicht nur das Erreichte, sondern bestimmen auch die zu bewältigenden Herausforderungen.“4

 

Demnach haben sich die Probleme scheinbar von selbst ohne Zutun von Akteuren gottgewollt zu einem „Knoten geschürzt“. Dass Deutschland derjenige EU-„Partner“ war und ist, der laufend hastig neue Vorschläge einbringt und erpresserisch durchzusetzen versucht und so „Probleme“ schuf und schafft, die diesen Knoten erst schürzten, unterschlug er geflissentlich. Dass Deutschland diesen gordischen Knoten lieber mittels VSE sofort durchschlagen würde, war vielleicht den deutschen Zuhörer-Michels nicht klar, dafür konnten es die EU-“Partner“ schon „mit Händen greifen“.

 

Gleich anschließend stellte er obligatorisch die schicksalstriefende Suggestivfrage, um diese dann nach scheinbaren alternativlosen deutschen Vorstellungen zu beantworten:

 

Quo vadis Europa? fragt uns daher ein weiteres Mal die Geschichte unseres Kontinents. Und die Antwort der Europäer kann aus vielerlei Gründen, wenn sie es gut mit sich und ihren Kindern meinen, nur lauten: Vorwärts bis zur Vollendung der europäischen Integration. Für einen Rückschritt oder auch nur einen Stillstand und ein Verharren beim Erreichten würde Europa, würden alle an der EU beteiligten Mitgliedstaaten und auch alle diejenigen, die Mitglied werden wollen, würden vor allem also unsere Menschen, einen fatal hohen Preis zu entrichten haben. Und dies gilt ganz besonders für Deutschland und die Deutschen.“5

 

Hier ist er wieder, der Hasardeur als meuchelnder Menschenfreund, der die unbedingte deutsche geschichtlich „richtige“ Frage selbst stellt und die „wahre“ Antwort im Namen „der“ Europäer selbst gibt und es nach deutscher selbstloser Manier nur gut mit „den“ Europäern und selbstverständlich gleich mit deren Kindern meint. Er droht selbstredend mit dem Untergang des christlichen Abendlandes, falls die „Partner“ sich nicht sputen mit der „Vollendung“ der EU. Dalli Dalli!

 

Seine Grundsatzrede vor der Ost-Erweiterung der EU drängte wiederum mit den vom Schäuble/Lamers-Papier bekannten Drohungen möglicher deutscher „Versuchungen“ zur historischen Verantwortung von Frankreich und Deutschland auf die von den „Partnern“ unbeliebte EU-Integration von Osteuropa:

 

Die in Deutschlands Dimension und Mittellage objektiv angelegten Risiken und Versuchungen werden durch die Erweiterung bei gleichzeitiger Vertiefung der EU dauerhaft überwunden werden können. Hinzu kommt: die Erweiterung - siehe die Süderweiterung der EU - ist ein gesamteuropäisches Wachstumsprogramm. Gerade die deutsche Wirtschaft wird von der Erweiterung einen hohen Gewinn für Unternehmen und Beschäftigung davontragen.

Deutschland muss daher weiter Anwalt einer zügigen Osterweiterung bleiben. Zugleich muss die Erweiterung sorgfältig und nach Maßgabe des Beschlusses von Helsinki vollzogen werden. 2. Die Handlungsfähigkeit Europas. Die Institutionen der EU wurden für 6 Mitgliedstaaten geschaffen. Sie funktionieren mit Mühe noch zu 15.“6

 

Die Resultate der süd-europäischen EU-“Erweiterung“ und das „gesamteuropäische Wachstumsprogramm“ sowie der EU-“Vertiefung“ sind seit 2011 zu bewundern und die EU-Erweiterung um die MOE und deren ökonomische Zurichtung nach deutscher Wirtschaftskonfession nutzt nur Deutschland wirklich.

Der Ex-Straßenkämpfer drängte wie zuvor Kinkel, Schäuble et tutti frutti selbstverständlich als selbstloser „Anwalt“ der anderen auf Reformen der EU-Institutionen zu Gunsten der großen Staaten, um unter dem Deckmantel des EU-Global-Players schlagkräftiger in der Weltarena zu werden. Der „Anwalt“ hantierte mit einem Einmaleins der Verteilung der Souveränitäten zwischen den Nationalstaaten und dem europäischen Bundesstaat, den er als Zugeständnis an Frankreich „Föderation“ nennt:

 

Dies wäre eine schlanke und zugleich handlungsfähige Europäische Föderation, voll souverän und doch auf selbstbewussten Nationalstaaten als Glieder dieser Föderation beruhend. Zudem wäre dies auch eine Föderation, die von den Bürgern durchschaut und verstanden würde, weil sie ihr Demokratiedefizit überwunden hätte.“7

 

Kein Europäer außer Deutschmanns sah schon damals, dass die EU-Staaten politisch Gleiche unter Gleichen waren. Dass sie dies als „Glieder dieser Föderation“ erst recht nicht wären, da Deutschland spätestens ab dem Jahre 2000 den ungeduldigen Hegemon mit Weltmachtgelüsten abgab, blieb nur dem Michel verborgen. Dass die Beschleunigung der Integration wiederum mit Schäubles „Kerneuropa“ als Joschkas „Gravitationskern“ erreicht werden sollte, gehört zur Kontinuität deutscher Politik. Deutschlands „gleichberechtigter“ Umgang mit den „selbstbewussten“ Nationalstaaten der EU kann gerade in der Gegenwart der „Staatsschuldenkrise“ seit 2011 ebenfalls täglich bewundert werden.

 

Worauf es dem grünen Kriegstreiber in der Rede zuvorderst ankam und Deutschland bis heute (insbesondere beim Dezembergipfel 2013) ankommt:

 

Die europäischen Staaten haben, gerade unter dem Eindruck des Kosovokrieges, weitere Schritte zur Stärkung ihrer gemeinsamen außenpolitischen Handlungsfähigkeit ergriffen und sich in Köln und Helsinki auf ein neues Ziel verständigt: die Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Die Union hat damit - nach dem Euro - den nächsten Schritt getan. Denn wie sollte man auf Dauer begründen, dass Staaten, die sich durch die Währungsunion unauflösbar und in ihrer ökonomisch-politischen Existenz miteinander verbinden, sich nicht auch gemeinsam äußeren Bedrohungen stellen und ihre Sicherheit gemeinsam gewährleisten?“8

 

Schon ergreifend lustig, wie der Pusher des Kosovokriegs auch hier die Wahrheit mit preußischer Chuzpe verdrehte und Deutschmanns Wunschdenken der „Union“ unterschiebt. Nach allem bisher skizzierten deutschen Vormarsch in Europa gibt es bei vielen EU-“Partnern“ mehr als genug „Gründe“, dass „man“ eine gemeinsame EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik nach deutschem Gusto möglichst stillschweigend zu hintergehen versucht, um den Hegemon nicht offen zu erzürnen.

 

Was das europäische machtstrategische politische Feld betraf, so stellte sich Herr Fischer scheinheilig ahnungslos bezüglich der deutschen EU-Hegemonie: Gleich zu Anfang der Rede verarschte er den deutschen Michel geradezu mit einem alten Ammenmärchen:


„Der Kern des Europagedankens nach 1945 war und ist deshalb die Absage an das Prinzip der balance of power, des europäischen Gleichgewichtssystems und des Hegemonialstrebens einzelner Staaten, wie es nach dem Westfälischen Frieden von 1648 entstanden war, durch eine enge Verflechtung ihrer vitalen Interessen und die Übertragung nationalstaatlicher Souveränitätsrechte an supranationale europäische Institutionen.“9

 

Wer dabei in Brüssel das Sagen hat und seine „vitalen“ nationalen Interessen regelmäßig mit erpresserischen Vorgaben durchzusetzen versucht, lässt sich 13 Jahre später ebenso alltäglich bewundern.

 

In deutsche Schädel geht wohl kaum hinein, dass die US-Air-Basen Ramstein und Bitburg und das US-Hauptquartier für Europa in Deutschland für die west-, süd- wie ost-europäischen EU-„Partner“ Deutschlands keinen Interessen-Widerspruch aufmachen. Vielmehr beruhigt die US-Militärpräsenz in Europa die anderen Europäer ungemein. Die USA wird mit dem Umschlagen der deutschen ökonomischen zur politischen Dominanz in der EU in der Staatsschuldenkrise zunehmend zum potentiellen militärischen weißen Ritter als letzten Rückhalt gegen die deutsche Metamorphose zum politischen Schwarzen Ritter der EU.

 

Wie es um die militär-politische Achse Paris - Berlin und um die GASVP der EU tatsächlich bestellt ist, kommt nachher sowie ausführlicher bei der Behandlung der sicherheits-, verteidigungs- und militärpolitischen Einigungsbestrebungen der EG/EU nach 1951 in Teil II des Textes zur Sprache. Die Durchsetzung des NATO-Krieges gegen die BRJ zwecks Separation des Kosovo war der Auftakt der zweiten Sturm und Drang Periode der Berliner Republik. Sie endete mit dem Lissabon-Vertrag von 2007.

 

1 Stephan Müller-Eicker, Restrukturierung der Auslandsverschuldung Russlands zwischen 1998 und 2002 in: Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag, S. 354

 

2 Aus der offiziellen Verlautbarung: „Ein 1994 unterzeichnetes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen trat 1997 für die Dauer von zunächst zehn Jahren in Kraft und wird seit 2007 bis zum Beschluss eines neuen Abkommens automatisch um jeweils ein Jahr verlängert. Es zielt darauf ab, Frieden und Sicherheit im internationalen Maßstab zu fördern sowie demokratische Normen und politische und wirtschaftliche Freiheiten zu unterstützen. Basis ist dabei der Gedanke einer gegenseitigen Partnerschaft, die politische, kommerzielle, wirtschaftliche und kulturelle Verbindungen stärkt.“ http://www.deutsch-russische-partnerschaft.de/de/705.php Dabei ist anzumerken, dass Russland in den 1990ern aufgrund niedriger Rohstoffpreise (Barrel Öl unter 25 $) hochverschuldet ökonomisch am Boden lag. Erst mit dem Anstieg der Preise nach der Jahrtausendwende gewann Moskau ökonomisch und zusehends politisches Gewicht in der Weltarena zurück.

 

3 Außenminister Fischer anlässlich des 50. Jahrestag der Gründung der Nato im 22. April im Bundestag, zitiert nach Thomas Becker: Rivals in Leadership. In: konkret 6/99. Zitiert nach: Daniel Dockerill, Nach dem Kosovokrieg: Wo steht die revolutionäre Linke? 2000, Flugschrift des Zirkels Übergänge zum Kommunismus.

 

5 Ebenda

 

6 Ebenda

 

7 Ebenda

 

8 Ebenda

 

9 Ebenda

Nicht seine Kritik der politischen Ökonomie lieferte Marx den Schluss auf jenes „revolutio-näre Subjekt“ namens „Prole-tariat“ – herleiten lässt sich aus ihr nichts dergleichen –, son-dern genau andersherum be-gründete die schiere Evidenz des Daseins und Wirkens die-ses Subjekts allererst eine Kritik der politischen Ökonomie, die das Kapital als „Durchgang“ hin zur menschlichen Gesellschaft diagnostiziert. Striche man da-gegen aus der Marxschen Di-agnose dieses einzige wahrhaft historisch-subjek­tive Moment darin aus, bliebe von ihr nur das Attest eines unaufhaltsa-men Verhängnisses.(*)

Wertkritischer Exorzismus
Hässlicher Deutscher
Finanzmarktkrise