30. Deutschlands Aufbegehren gegen die USA im Golfkrieg III

Die USA wehrt(e) sich gegen ihren ökonomischen Abstieg und einhergehenden Verlust an politischem Einfluss (vor allem) in Kontinentaleuropa nach den Kräfteverschiebungen nach 1990 zu Gunsten Deutschlands sowie der sichtbar gewordenen dynamischen ökonomischen Entwicklung Chinas durch die Konzentration auf ihre militärische Karte als übriggebliebener Weltmacht-Domäne.

Die Administration bekräftigte ihre zukünftige Linie im Dokument zur Nationalen Sicherheits-Strategie (NSS) vom 20.09.2002 mit Nachdruck: das 21. werde das Jahrhundert der USA und der Durchsetzung ihrer Werte sein: Freihandel unter dem Schlagwort Demokratie – auf Grundlage unantastbarer militärischer Überlegenheit. Die Verlautbarung enthält unverhohlene Drohungen, explizit an die Adresse Chinas, implizit an Deutsch-€-land, falls deren Aufrüstungsanstrengungen auf Konkurrenz abzielen. Die dem US-amerikanischen militärisch-industriellen Komplex vorgelegten Planziele zeigten den mittelfristigen Horizont an: sie beinhalten unter anderem die Forderung, innerhalb von fünf Tagen eine und innerhalb eines Monats fünf Divisionen samt Gerät an jeden Ort der Welt verlegen zu können.

Dann entschied sich die Busch junior-Administration 2002 zum Golfkrieg III gegen den Irak. Die Clinton-Administration hatte anderes zu tun gehabt, als den im Rausch des Internet- und Börsenbooms aufkommenden Tagtraum einer krisenfreien „New Economy“ zum Jahrtausendwechsel zu stören. Sie hielt – zusammen mit Mutterland England – den gegen den Irak unerklärten Krieg seit 1992 mit wöchentlichen Bombardements auf Sparflamme. Als Bestrafungsmaßnahmen für angebliche Verletzungen US-selbstherrlich definierter Flugverbotszonen.

 

Zuvor waren die Terroranschläge vom 11. September 2001 wie bestellt zur einsetzenden Katerstimmung gekommen – schon seit Anfang 2001 stürzte die US-Wirtschaft und die Börsenindices ab. Ein vorzüglicher Anlass, zum günstigen Zeitpunkt des industriellen Krisenzyklus den längst geplanten militärischen Schlag gegen Afghanistan in Angriff zu nehmen, danach die nächsten Ziele als „Achse des Bösen“ evangelikal-fundamentalistisch zu stigmatisieren – mit der unüberhörbaren Drohung an jene, die sich nicht explizit hinter die Politik der USA stellen, auf diese Liste gesetzt zu werden.

 

Was die USA 2002 unumwunden forderten, war die freiwillige Unterwerfung unter ihre Führung bei militärischen Präventivmaßnahmen, welche jedem Völkerrecht Hohn sprechen. Hiermit verknüpft ist die alte Einforderung von Freihandel, `fairem´ Wettstreit, also Bejahung ungehinderter Konkurrenz – wobei von vorneherein feststeht, wer die Regeln bestimmt, ihre Einhaltung kontrolliert und Abweichungen nach eigener Maßgabe sanktioniert.

 

Die zur Aufrechterhaltung dieser (Un-)Ordnung notwendige tagtägliche Zusammenarbeit der Hauptkräfte des Weltmarkts in Scharen von internationalen Krisenstäben und Institutionen verdeckte die meiste Zeit unter diplomatischen Sprachregelungen die laufende Zuspitzung der Konkurrenz zwischen den USA und Deutsch-€-land auf Grund der Entwicklung des Weltmarkts nach 2000.

 

Jene wertkonservativen Abenteurer in Washington ließen im November 2002 ihrer verbalen Maßlosigkeit freien Lauf, wenn sie einen politischen Umsturz im Irak mittels des US-Militärstiefels nach Afghanistan als Präzedenzfall für die „Demokratisierung“ der gesamten Region propagierten in Anlehnung an Deutschland nach 1945. Dieser ahistorische Vergleich – parlamentarische Demokratie ist nur was für prosperierende Staaten – als politische Legitimierungsformel stand im unüberbrückbaren Gegensatz zu den ausdrücklichen Warnungen Golfkrieg erfahrener hoher Militärs – an ihrer Spitze der damalige militärische Oberbefehlshaber und spätere Außenminister Powell – vor dem hohen Grad von Abenteurertum dieser militärischen Vorstöße. Tatsächlich blieb den USA keine wirkliche Wahl:

 

Die vorgebliche Entwaffnung des Iraks von eventuellen ABC-Waffenprojekten zielte nach Aussagen der US-Administration offen auf den Sturz der Regierung Hussein und der Installation eines von CIA und MI 6 (England) vorbereiteten Marionettenregimes als Übergang zur „Demokratisierung“ des Iraks. Das Ausspielen der militärischen Karte deutete auf den zunehmenden ökonomischen und politischen Schwächezustand der Hegemonialmacht USA. Für die USA ist es damals wie heute am unvorteilhaftesten, den politischen und ökonomischen Gang nach „friedlichen“ Weltmarktregeln im südwestasiatischem Großraum weiter laufen zu lassen. Denn er bedeutet die allmähliche Durchdringung Vorderasiens als €-Wirtschaftsraum mit den Schlüsselländern Irak und Iran, wo Russland, Deutschland, Frankreich relativ starke industrielle und informell-politische Stellung bezogen haben.

 

Das Irakabenteuer der USA war hierbei ein weiterer Mosaikstein nach dem noch fortwährenden Abenteuer in Afghanistan, sich im gesamten vorder- und zentralasiatischen Raum militärisch festzusetzen, mit den 2002 anvisierten Zielen:

  • Das Hussein-Regimes des Iraks sollte ausgeschaltet werden als – von ihm selbst groß heraus posaunte und im Golfkrieg II umgesetzte – militärische Bedrohung Israels.

  • Es galt, die dort expandierenden ökonomischen Konkurrenten Deutschland, Russland und Frankreich entschieden zurückzudrängen und die Profite der staatlich-irakischen Erdölproduktion selbst einzusacken – sowohl als Verwertung des produktiven Kapitals als wie als Anlage und Verwendung der nach Aufhebung des Irak-Embargos reichlich sprudelnden Ölrente.

  • Gleichzeitig sollten die militärischen Truppen und Gerät und Ressourcen der Konkurrenten – insbesondere auch Deutschlands – unter eigenem Kommando im Rahmen von NATO-Spezialeinheiten verschlissen werden.

  • Die ökonomischen Ressourcen der Konkurrenten sollten durch polizei-ähnliche und humanitäre Aufgaben gebunden werden. Diese sollten zur „gerechten“ Finanzierung ihrer UNO-gedeckten Drecksarbeit im großen Stile herangezogen werden. Ansonsten droht den USA ein Imperial Overstretch durch ausufernde Militärausgaben.

  • die Erdölreserven des Irak – deren Qualität und Förderkosten optimal sind – sollte als strategische Waffe eingesetzt werden.

 

Materielle Grundlage für die Hypothese des militärischen Festsetzens der USA in West-Süd- und Mittelasien für einen mittelfristigen Horizont war zum damaligen Zeitpunkt, dass die USA nach dem Bombardement Afghanistans im Eiltempo ein zusätzliches strategisches Netz von groß angelegten Luftwaffenstützpunkten in Afghanistan, Tadschikistan … und Katar auf 25 Jahre errichteten. Hierdurch setzte die USA zugleich die militärische Umzingelung der aufstrebenden Mächte China und Russland fort und blockiert deren ungehinderten Zugriff auf Zentralasien und den Iran. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die USA in der Flucht nach vorne, im Ausspielen ihrer militärischen Überlegenheit, den Ausweg aus ihrem relativen ökonomischen Abstieg als Weltmarktspieler sehen.

 

Berlin verweigerte den USA erstmals nach 1945 die Gefolgschaft mit einem eigenen Konfrontationskurs. Es bildete die Achse Moskau – Berlin – Paris auf der Linie der deutschen Appeasement-Position. Hiergegen schloss sich als EU-Gegengewicht die Achse London – Madrid – Rom zusammen, die sich neben den mittel- und nordeuropäischen Ländern auf die Seite der USA schlugen. Die Bildung der transatlantischen EU-Gegenachse 2002 zur deutschen Achsenbildung ist Ausdruck der noch zu behandelnden Konkurrenz innerhalb der EU-Hauptkräfte, die sich unter ihrer zwangsweisen Zusammenarbeit verschärft.

 

Die deutschen Interessen waren vor dem Golfkrieg III hoffnungsvoll nach vorne gerichtet:

  • Die deutsche Industrie z.B. hatte im Sept. 2001 der Politik angetragen, die Beziehungen zum Irak wieder auf diplomatischer Ebene des Botschafterverkehrs aufzunehmen. Sie betonten ihre Absicht, mit 100 Kopf starker Stabsmannschaft die Industriemesse in Bagdad im Februar 2003 zu beschicken.

  • Sie wollten (und wollen nach immer) den Irak als arabischen Brückenkopf ausbauen mittels Maschinen- & Anlagenbauexport und Infrastruktur, die französischen & russischen Kapitalisten im Erdöl & -gassektor – und zwar als Wiederaufnahme jener offensiven Linie, die sie nach dem Iran-Irak-Krieg dort eingeschlagen hatten und die durch die UN-Embargo-Politik nach dem Golfkrieg 1991 zum Erliegen kam.

  • Mittelfristig gehen die Hoffnungen (bis heute) in Richtung einer auf breiter Rohstoffbasis & Ölrente basierenden kapitalistischen industriellen Entwicklung unter Führung russischer und €-uropäischer großer Einzelkapitale und dem € als wichtigster Auslandswährung nicht nur des Iraks, Irans, Türkei, sondern der wichtigsten Staaten der gesamten arabischen Halbinsel und Nordafrikas. Der Irak hatte gerade 2002 angekündigt, zukünftig Öl auch gegen € als offizielles Zahlungsmittel zu verkaufen.

Auf dem Balkan und in Vorderasien haben die USA als Hegemon des Weltmarkts und Deutschland als selbst erklärter Aufsteiger offensichtlich gegensätzliche Interessen. Sie versuchen, diese mit ihren gegenwärtig unterschiedlichen Mitteln durchzusetzen. Der Aufsteiger muss den Status quo dort destabilisieren, wo dem Hegemon an politischer und/oder ökonomischer Ruhe gelegen ist. Der Hegemon ist gezwungen, zwecks Selbstverteidigung selbst in die Offensive zu gehen mit seinen stärksten Mitteln zur Veränderung des Status quo dort, wo der Aufsteiger Gelände gewinnt. Hierbei verliert die USA bei beiden Handlungsvarianten: greift sie relativ isoliert zu den Waffen, ist sie der Buhmann der sich ehrenwert gebärdenden Welt und treibt Deutsch-€-land neue „unwillige“ Verbündete zu, zeigt sie sich friedlich nachgiebig, reizt sie die Konkurrenten geradezu zu eigenen militärischen Abenteuern und forciert deren Aufrüstungsanstrengungen.

 

Vor dem Hintergrund der oben skizzierten Kosovo-Zerreißprobe des deutsch-amerikanischen politischen Verhältnisses gewann das Schröder´sche kategorische Nein zum amerikanischen Irakabenteuer ein anderes Gesicht. Obige Diplomatie der Vorwände und Winkelzüge als Durchsetzungsformen der eigenen politischen und militärischen Marschroute war die Fortsetzung dieser deutschen Außenpolitik als Herausbildung eines deutsch-europäischen Gegenpols zu den USA:

 

  • Die UN-Sicherheitsrat-Resolution 14411 zum Irak vom 06.11. 2002 ließ jenen Interpretationsspielraum offen, den die USA für ihren beabsichtigten Feldzug benötigen – ohne Gesichtsverlust der übrigen Vetomächte. Das daraus folgende Umgehen der USA mit Resolution 1441 und dem irakischen Waffendossier war das ultimative Taktieren des unumschränkten Hegemons, der seine Konkurrenten mit in sein Abenteuer zu ziehen versucht. Die Verlagerung großer Kampfverbände an den Golf von Persien unter Einziehung von Reservisten in großem Umfang (alleine 60.000 am 10./11.12. 2002) deutete auf die Entschiedenheit zum Einsatz der militärischen Karte – unbeirrbar durch das emsige Geklapper und Figurenschieben der internationalen Diplomatie.

  • Das vorübergehende Mitglied Deutschland ging – als gewählter Vorsitzender des UN-Sicherheitsrats ausgerechnet für Februar 2003 – nun folgerichtig gegen eine weitere Irak-Resolution auf Stimmenfang, um jede Mitverantwortung für einen Kriegsunterstützungskurs der UNO zu vermeiden. Da die deutsch-französische Diplomatie in dieser Frage – trotz temporär getrennten Marschierens – eng zusammen arbeiteten, ermöglichte eine zu erwartende 2. Resolution des UN-Sicherheitsrats ein Einlenken ohne gravierenden politischen Gesichtsverlust der BRDeutschland.

 

Deutschland als ökonomisches Gravitationszentrum Europas wurde um die 2000er Wende durch die weltpolitischen Ereignisse beschleunigt auf seinen Sonderweg gezwungen. Die Achse Paris – Berlin zieht die übrigen europäischen Staaten zwangsweise im Schlepptau, an welches sich bei Gelingen des EU-Projekts mittelfristig zusätzlich diejenigen unterentwickelten, sich völkisch gebärdenden Staaten Westasiens und Nordafrikas anhängen werden, welche sich aus der Umklammerung der USA lösen wollen. Wenn Deutschland zu diesem Zweck auch in der Irakkrise 2002/03 den Worten nach die Stärkung des UNO-Apparats und anderer internationaler Institutionen propagierte, so lag dies auf derselben Linie wie seine Schwächungsvorstöße der NATO: der militärische Zwerg will aus seiner eigenen Not eine zum Wohl der Menschheit geheuchelte Tugend machen – solange bis die eigene Berufsarmee und die der anderen EU-Staaten reorganisiert ist und die EU militärpolitisch handlungsfähig wird – so die damalige Hoffnung. Wer wie Schröder argumentierte, dass die USA keine politische Option für die Zeit nach dem Irak-Krieg habe, muss sich an die eigene Nase fassen: was anderes als chaotische Bandenzustände hat die deutsche „Menschenrechts“- Politik in Jugoslawien angerichtet?

 

Tatsächlich tobt der vom militärischen Überfall der US-Allianz induzierte Bürgerkrieg im Irak nun schon 10 Jahre ohne Aussicht auf einen stabilisierenden zentralstaatlichen Ausweg. Nach dem stufenweisen Abzug der USA-Truppen und deren Kombattanten zwischen 2009 und 2011 verstärkte sich die desolate Sicherheitslage weiter. Ein dutzend von den USA und internationalen Konzernen angeheuerte private Militärdienstleiter sorgen bis heute für deren Personen- und Infrastrukturschutz. Der erhoffte Zugriff der Invasoren auf das irakische Öl fiel mager aus. Die mit dem Golfkrieg einhergehende Destabilisierung der gesamten Region hielt den Ölpreis im gesamten Zeitraum auf spekulativ hohem Niveau.

 

Der Zerfall des Iraks scheint nicht aufzuhalten zu sein, die Autonomie der Provinzen geht schon jetzt sehr weit. Iran, Saudi-Arabien und Syrien mischen kräftig bei der Destabilisierung des Iraks mit, da ein zerfallender Irak ihnen als nachbarschaftliche Konkurrenz um die regionale Hegemonie von Nutzen ist. Die Terror-Taktik von Al-Kaida-Brigaden des Islamischen Staates in Irak und Syrien (Isis) im Westirak trieb die „sunnitischen“ und „schiitischen“ Clans 2013 noch heftiger in den Bürgerkrieg mit einer steigenden Anzahl ziviler Terroropfer. Die sunnitischen Clans sehen als Minderheit ihren baath-angestammten politischen Einfluss schwinden und stehen im inzwischen militärisch ausgetragenen Machtkampf mit dem schiitischen Regierungschef al-Maliki.

 

Das autonome Nordkurdistan der korrupten Cliquen der Barzani und Talabani strebt über seine äußerst ausgedehnte Autonomie hinaus die Sezession an – die Ölquellen des Nordirak bilden die ökonomische Grundlage für deren politischen Umsetzungswillen. Deutschland wird von Nordirak-Kurdistan als Protektor und Investor1 umworben, da es der idealtypisch völkische Sezessions-„Partner“ ist, der als starkes politisch-ökonomisches Gegengewicht zur faktischen ökonomischen Abhängigkeit vom Außenhandel mit der Türkei eingesetzt werden kann. Die BRD betreibt im Nordirak – wie es sonst auch ihre Regel ist – separatistische Wühlarbeit entsprechend der gelingenden ökonomischen deutschen Penetration Nordirak-Kurdistans. Die südlichen Gouvernements wollen sich unter dem Namen Sumer zu einer ähnlich ausgedehnt „autonomen“ Provinz zusammenschließen. Der gewählte Namen lässt auf einen sechs Tausend Jahre zurückgehenden programmatischen Schöpfungsmythos für „höhere“, staatliche Ambitionen schließen.

 

Die zentrale Staatlichkeit des Iraks kann die Sonderinteressen der Clans der mehr als hundert Nationalitäten – nach deutschem Topos also eh ein „Vielvölkergefängnis“ – auf die Dauer nicht zusammenführen. Die überkommene umfassende Subsistenzproduktion wurde in den letzten zwei Dekaden durch die durchschlagende Warenzirkulation des Weltmarkts für Waren der individuellen Konsumtion zerstört. Das ging mit tiefgreifenden Umwälzungen des Alltagslebens einher, dem Freisetzen überflüssiger Hände auf dem Lande sowie zur zunehmenden Konzentration der Armut in den Städten. Die trotz dieser „Modernisierung“ immer noch starke Stellung des modifizierten Clanwesens verweist auf das immer noch schwach entwickelte Kapitalverhältnis, das die Tagelöhnermassen nicht in Lohn und Brot zu bringen vermag. Der Entwicklungsstand des Kapitals als dem großen gesellschaftlichen Leveler vermochte bisher nicht wie in den entwickelten Industriestaaten einen das nationale Gesamtterritorium umfassenden einheitlichen Binnenmarkt samt einer sich homogenisierenden „multiethnischen“ Gesellschaft zu induzieren, in der die alten Clanstrukturen in zivilgesellschaftlichen Formen aufgehoben sind wie die Landsmannschaften Deutschlands in der BRD.

 

Daher verleiten die zentrifugalen Kräfte der unterschiedlich entwickelten Regionen entsprechend deren ökonomischen Pfründen der Ölrente die lokal-regionalen Clanführer angesichts der Schwäche des Zentralstaats zu politischem Abenteurertum. Die Problemlage des unterentwickelten Kapitalverhältnisses im nationalen Rahmen, der dadurch noch immer existenten großen Anzahl modifizierter Clanstrukturen mit einhergehenden ökonomischen Abhängigkeiten innerhalb einer ausgedehnten Schattenwirtschaft und Kleinbetrieben, eingebettet in ein umfassendes nationales, regionales und lokales Korruptionsgeflecht schlecht bezahlter Staatsbediensteten, bedingen einen auf dem unterschiedlichen Entwicklungsstand der Regionen sowie von Stadt und Land gründenden „ethnischen“, „völkischen“, religiös verbrämten Regionalismus. Dieses Szenario betrifft sämtliche Staaten des islamischen Gürtels. Die autokratischen zentralstaatlichen Cliquen können sich dort nur deshalb halten, weil die ökonomischen und dadurch auch sozialen und ideologischen Grundlagen für eine bürgerliche „Demokratie“ westlichen Zuschnitts fehlen und zudem die knallhart ausgetragenen Interessengegensätze der lokalen und regionalen Clan-Cliquen eine gemeinsame Stoßrichtung gegen die Zentrale blockieren – wie im syrischen Bürgerkrieg 2013 exemplarisch zu beobachten war. All diesen Nationalstaaten droht der Zerfall, falls sie im Weltmarktgeflecht noch weiter relativ zu den anderen Nationen zurückfallen. Wie das deutsche Wesen 2004 mit aufgeplusterter Brust die arabische Welt mit seiner „zivilisatorischen Mission“ beglücken wollte, kann im nächsten Kapitel bewundert werden.

 

1Mario Kaiser, Die Angelegenheit Spiegel 13.02.2006 Spiegel Online Archiv.

Zwei Jahre später sah es für Deutschland schon rosiger aus: Andreas Rinke, Wirtschaftsentwicklung Nur der Nordirak lockt deutsche Firmen Handelsblatt Online 21.02.2008.

Danach säen die Deutschen emsiger im gesamten Irak, um später zu ernten: Irak – Horizonte 2015 HEUTE SÄEN - MORGEN ERNTEN

 

Nicht seine Kritik der politischen Ökonomie lieferte Marx den Schluss auf jenes „revolutio-näre Subjekt“ namens „Prole-tariat“ – herleiten lässt sich aus ihr nichts dergleichen –, son-dern genau andersherum be-gründete die schiere Evidenz des Daseins und Wirkens die-ses Subjekts allererst eine Kritik der politischen Ökonomie, die das Kapital als „Durchgang“ hin zur menschlichen Gesellschaft diagnostiziert. Striche man da-gegen aus der Marxschen Di-agnose dieses einzige wahrhaft historisch-subjek­tive Moment darin aus, bliebe von ihr nur das Attest eines unaufhaltsa-men Verhängnisses.(*)

Wertkritischer Exorzismus
Hässlicher Deutscher
Finanzmarktkrise