Zwischen Pest und Influenza

Die Kandidatenkür der LINKEN NRW zur Bundestagswahl

von D. D.

Bei der Besetzung ihrer Landesliste für die Bundestagswahl hat die LINKE NRW am letzten Wochenende vor der Wahl gestanden zwischen einer postmodernisierten und der traditionellen Linken, also gewissermaßen zwischen Pest und Influenza, und sich für letztere entschieden. Jedenfalls mutet der „Entwurf für eine klassenkämpferische verbindende Klassenpolitik“ der als Gegenkandidatin zur schließlich auf den Spitzenplatz gewählten Sahra Wagenknecht angetretenen Angela Bankert in der Zusammenfassung, die uns die Stellungnahme des Sprecherrats der AKL davon gibt, an wie die Hitparade der schaurigsten Gassenhauer, welche die auf postmodern getrimmte Linke die letzten gut halbdutzend Jahre mit wachsender Begeisterung gesungen hat:

„ … für das Zusammenführen der Kämpfe von Fridays for Future, Seebrücke, Unteilbar, MeToo, Recht auf Stadt, Black Lives Matter, für eine LINKE als Mitstreiter*innen in diesen Bewegungen, als Bündnispartnerin und parlamentarischer Arm dieser Bewegungen …“

 

Wagenknechts Kritik dieser von ihr sogenannten „Lifestyle-Linken“, die kaum anderes umtreibt, als im immer erbarmungsloser sich darbietenden Kampf ums Dasein mittels ihres Engagements für höhere und höchste Zwecke einen Platz an den Futtertrögen jenseits trostloser ordinärer Lohnarbeit zu ergattern, trifft sicher, soweit sie der Leseprobe (verlinkt beispielsweise hier) ihres frisch erschienen neuesten Buches zu entnehmen ist, vielfach ins Schwarze. Und ihre Parteinahme für eine von ihr sogenannte „traditionelle Linke“ scheint mir allemal das kleinere der hier gegeneinanderstehenden linken Übel zu sein. Ein Übel bleibt es gleichwohl. Und worin es besteht, lässt sich sehr schön in einem eben dieser „traditionellen Linken“ gewidmeten Passus des Buches besichtigen. „Links, das stand einmal“, heißt es da,

„für das Streben nach mehr Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit, es stand für Widerständigkeit, für das Aufbegehren gegen die oberen Zehntausend und das Engagement für all diejenigen, die in keiner wohlhabenden Familie aufgewachsen waren und sich mit harter, oft wenig inspirierender Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen mussten. Als links galt das Ziel, diese Menschen vor Armut, Demütigung und Ausbeutung zu schützen, ihnen Bildungschancen und Aufstiegsmöglichkeiten zu eröffnen, ihr Leben einfacher, geordneter und planbarer zu machen. Linke glaubten an politische Gestaltungsfähigkeit im Rahmen des demokratischen Nationalstaats und daran, dass dieser Staat Marktergebnisse korrigieren kann und muss.“

 

Da spricht dann am Ende doch immer wieder der Politiker von Profession, der auf „Widerständigkeit“ und „Aufbegehren“ sich seine Mahlzeiten wärmt und sie mit dem Label seines „Engagements für all diejenigen“ versieht, denen das Schicksal ein ganz anderes Leben als das seine beschieden hat. Und es bleibt seine immer von Neuem zu vollbringende Tat, sie „vor Armut, Demütigung und Ausbeutung zu schützen, ihnen Bildungschancen und Aufstiegsmöglichkeiten zu eröffnen, ihr Leben einfacher, geordneter und planbarer zu machen.“ Er also (oder diesmal halt sie) „macht“ ihnen am Ende mit etwas Glück ihr schöneres Leben und sie empfangen’s von ihr.

 

Dazu passend achtet sie mit Sorgfalt auf Äquidistanz zu den Exekutoren wie Anhängern des Coronaregiments hier und seinen Gegnern dort:

„Wer den Sinn und Nutzen der Schließung von Kitas und Schulen, von Gaststätten, Geschäften und vielen anderen Gewerben auch nur teilweise in Zweifel zog, musste sich den Vorwurf gefallen lassen, dass ihm Menschenleben egal wären. Wer gleichwohl anerkannte, dass Covid-19 ein gefährliches Virus ist, wurde ähnlich aggressiv von denen attackiert, die in allem nur Panikmache sahen.“

 

Das gemütliche Plätzchen der „teilweisen Zweifel“ in einer austarierten Mitte zwischen Befürwortung der Maßnahmen des Coronaregimes und deren Kritik gibt es in Wahrheit jedoch nur in ihrer schlauen Rhetorik, die diese Kritik verballhornt, statt sie seriös zur Kenntnis zu nehmen. Denn dass „Covid-19 ein gefährliches Virus“ sei, kann schon darum niemand im Ernst bestreiten, weil Covid-19 gar kein Virus ist, sondern eine Krankheit bezeichnet, als deren Erreger ein neuentdecktes wie auch immer „gefährliches Virus“ gilt. Die Gefährlichkeit der ursprünglich so benamsten Krankheit aber, nämlich einer sogenannten „atypischen“, d. h. von Viren ausgelösten Lungenentzündung, bestreitet allein deshalb niemand, weil sie zu ihrer Charakteristik wesentlich dazugehört.

 

Der wirklich ernste Streit, jenseits irgendwelchen unqualifizierten Palavers über „Corona“, dreht sich um die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dieser Krankheit und jenem vermeintlich „neuen“ Virus bzw. seinen Derivaten; darum, den simplen Kurzschluss zu hinterfragen zwischen einem von Virologen kürzlich entdeckten und nun mit von denselben entwickelten, durchaus zweifelhaften Methoden allerorten ausgemachten Virus auf jene unbestreitbar und unbestritten gefährliche Krankheit, die freilich immer noch eher selten auftritt und in ihrer Symptomatik alles andere als neu ist. Die solchen Kurzschluss kritisieren, haben durchaus gute Gründen, aufseiten jener, die die Diskussion darüber verweigern, „Panikmache“ am Werk zu sehen. Es gibt ja auch längst jedermann einsehbare Dokumente dieses „Machens“ einer Panik, zum Beispiel das Ende März letzten Jahres bekannt gewordene Papier aus dem Bundesinnenministerium, worin u. a. bereits pauschal gemutmaßt wird, es gebe „viele“, denen jedenfalls „unbewusst und uneingestanden“ anderer Menschen Leben „egal“ sei.

 

Dass die oftmals viel zu schüchtern vorgetragene Kritik dieser Panik „ähnlich aggressiv“ aufträte wie deren Macher und Mitmacher, hat Wagenknecht natürlich frei erfunden, um gehörig Abstand davon zu gewinnen. Denn ein bisschen Panik soll schon sein. Die gehört auch für die „traditionelle Linke“ gewissermaßen konzeptionell dazu, damit ihre subalterne Klientel nicht gar zu frech wird oder womöglich eines vielleicht nicht mehr allzu fernen Tages ganz selbständig ins politische und soziale Geschehen eingreift.

 

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Nicht seine Kritik der politischen Ökonomie lieferte Marx den Schluss auf jenes „revolutio-näre Subjekt“ namens „Prole-tariat“ – herleiten lässt sich aus ihr nichts dergleichen –, son-dern genau andersherum be-gründete die schiere Evidenz des Daseins und Wirkens die-ses Subjekts allererst eine Kritik der politischen Ökonomie, die das Kapital als „Durchgang“ hin zur menschlichen Gesellschaft diagnostiziert. Striche man da-gegen aus der Marxschen Di-agnose dieses einzige wahrhaft historisch-subjek­tive Moment darin aus, bliebe von ihr nur das Attest eines unaufhaltsa-men Verhängnisses.(*)

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