12 Punkte zu Klasse und Politik heute (2022)

Ein Beitrag zu aus unserer Sicht dringlichen Fragen innerhalb der Strategiediskussion

von RO und JA

1. Selbst nach der schweren Niederlage der LINKEN bei den Bundestagswahlen 2021 wollen der Großteil von Parteivorstand und -fraktion weiterhin mitregieren. Dies ist jedoch nicht allein eine subjektive Entscheidung des Wollens, unter Absehung aller bedeutsamen gesellschaftlichen Umstände.

2. Zu den objektiven Bedingungen, unter denen die Wahlen stattgefunden haben, gehören mindestens Zwei. Die wirtschaftliche Entwicklung und (damit) die politische Lage in der Welt und im Land.  

3. Die systemische Krise des Kapitalismus ist nicht bereinigt und die zyklische Krise schwelt. Die Coronapandemie wurde genutzt, um die Gelddruckmaschine anzuwerfen, damit zuvor sich abzeichnende Krisentendenzen keynesianistisch abgeschwächt werden konnten. Eine große Krise der Weltwirtschaft ist also zu erwarten, inflationäre Tendenzen zeichnen sich ab.

4. Spitzt sich die Krise zu, erhöht sich außenpolitisch die Kriegsgefahr und innenpolitisch die Notwendigkeit sozialer Kürzungen. Die Gefahr eines Weltkrieges zwischen den großen imperialistischen Mächten steigt. Dies wird am Krieg zwischen Russland und der Ukraine deutlich, in dem auch die NATO droht unmittelbar Kriegspartei zu werden.

5. In Folge der Bundestagswahlen brauchte es für das deutsche Kapital eine Krisenregierung, die  Sozialkürzungen und die Kriegsfähigkeit Deutschlands durchsetzen und den Protest dagegen abschwächen kann. Sowohl Schwarz-Grün als auch eine rechtskonservative Regierung aus CDU und AfD waren deshalb zum Zeitpunkt der Wahlen keine Optionen.

6. Eleganter für die Bourgeoisie ist derzeit, eine Mitte-Links-Regierung unter zur Hilfenahme der FDP, die Sozialkürzungen und eine härtere Gangart in der Außenpolitik gegen die Bevölkerungsmehrheit durchsetzt. Unter Rot-Grün ist dieses Szenario 1998 schon einmal eingetreten. Nicht nur große Teile der Gewerkschaften und der Linken machten sich damals Hoffnungen auf eine politische Wende. Diese kam auch, aber anders als gedacht: Jugoslawien-Krieg und Agenda 2010.

Doch Rot-Grün hatte diesmal allein keine Mehrheit. Die Koalition konnte aber dank der FDP auf DIE LINKE verzichten, die aufgrund ihres schlechten Wahlergebnisses sowieso die Rolle als Juniorpartnerin in der Regierung nicht einnehmen konnte.

7. Trotz der verlorenen Wahl machen Großteile der Partei Politik, als würden sie als Juniorpartnerin der Ampelregierung gebraucht. Es zeichnet sich das Ende der Partei als Zwitterwesen zwischen links-kleinbürgerlicher und sozialistischer Partei ab. Es ist zu erwarten, dass gewisse Teile der Programmatik über Bord geschmissen werden. Womit jede Hoffnung beendet wäre, sozialistische Partei werden zu können.

8. Als Minimalkonsens halten die Linken in der LINKEN am Erfurter Parteiprogramm fest. Dieses formuliert die mit Gründung der WASG und fortgesetzt in ihrer Vereinigung mit der PDS zur LINKEN errichtete Verteidigungslinie gegen härteste soziale Zumutungen des Kapitals, als deren Erfüllungsgehilfe sich die Sozialdemokratie und die Grünen zur Verfügung stellten. Diese Verteidigungslinie ist in Gefahr.

9. Ist die Partei noch in der Lage die Verteidigungslinie weiterhin darzustellen? Und ist es überhaupt noch richtig als Kommunistinnen und Kommunisten diese Verteidigungslinie weiterhin zu vertreten?

10. Es müsste unter uns diskutiert werden, ob wir eine Konferenz linker Gruppen befürworten, falls die LINKE die geschilderte Option der Verteidigung gegen drohende Unbill für die lohnabhängige Klasse nicht mehr wahrnimmt.  

11. Nur in ganz geringem Maße konnten wir mit Fragen der Arbeiterbewegung in der Partei Einfluss nehmen. Unsere strategisch-programmatischen Überlegungen zur Aufhebung der Lohnarbeit, der Klassen und des Staates konnten wir nicht platzieren.

12. Im Zuge der Coronapandemie entwickelten sich die Grund- und Menschenrechte des Individuums zu einem weiter zu diskutierenden kontroversen Punkt unter uns. Die entfaltete kapitalistische Warenproduktion bedingt einen idealistischen Überbau von Menschenrechten, Freiheit und Gleichheit. Diese „Werte“ ermöglichen dem Individuum größere Entfaltung als in vorkapitalistischen Gesellschaften. Nur die Aufhebung der Warenproduktion insgesamt setzt „an die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassen-Gegensätzen […] eine Association, worin die freie Entwicklung eines Jeden, die Bedingung für die freie Entwicklung Aller ist.“ (Marx/Engels, Manifest)

Redaktioneller Hinweis:

Der Text wurde hier nachträglich am 4.12.2023 hinzugefügt. Er ist eine Art Update zu einem Text vom 15.12.2019, der hier zu finden ist.

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Nicht seine Kritik der politischen Ökonomie lieferte Marx den Schluss auf jenes „revolutio-näre Subjekt“ namens „Prole-tariat“ – herleiten lässt sich aus ihr nichts dergleichen –, son-dern genau andersherum be-gründete die schiere Evidenz des Daseins und Wirkens die-ses Subjekts allererst eine Kritik der politischen Ökonomie, die das Kapital als „Durchgang“ hin zur menschlichen Gesellschaft diagnostiziert. Striche man da-gegen aus der Marxschen Di-agnose dieses einzige wahrhaft historisch-subjek­tive Moment darin aus, bliebe von ihr nur das Attest eines unaufhaltsa-men Verhängnisses.(*)

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