Aus zwei Emailantworten zwei bis drei Monate nach Beginn des russischen Überfalls
Von Daniel Dockerill
8. April 2022
Lieber H.,
[…]
Vieles, was da jetzt als ein neuer Aufbruch zu entschiedener Opposition gegen das heutige politische Establishment (zu dem die Linke inzwischen glücklich dazugehört) angetreten ist, erinnert sehr stark an die WASG selig, die dann von der Linkspartei.PDS – von heute aus betrachtet, komme ich zu dem Schluss – allzu schnell geschluckt wurde. Derselbe teils sehr naive Enthusiasmus und eine ähnliche Menge an z. T. liebenswerten, z. T. aber auch schwer erträglichen Verschrobenheiten und sogar die eine oder andere Ambition, mit der neuen Partei eine anderswo gescheiterte politische Karriere doch noch mit Erfolg zu starten, die schon etwas Rührendes hat. Denn anders als seinerzeit bei der WASG stehen ja keine Lafontaines und Gysis bereit, das Ganze in kürzester Zeit auf eine politisch relevante Ebene zu hiefen und dann auch leider bald einzusacken. […]
Ach ja, und dann das „R[ussland]- oder … R-U[kraine]-Thema“. Was dazu aus der deutschen Seele jetzt auch hier in unserer Strickgruppe[1] hochgespült kommt … oh je! Dass man der blaugelben „Solidaritäts“-Duselei, die ziemlich schlagartig das ganze Tschland erfasst hat, Ablehnung und auch durchaus berechtigten Ekel entgegenbringt, ist ja ganz in Ordnung. Aber muss man deswegen jetzt unbedingt Putin verstehen? Jenen Putin, der übrigens ganz richtig liegt, Lenin, den erklärten Feind jedes Anflugs von Chauvinismus der Großrussen, dafür zu verfluchen, dass es so etwas wie eine von Großrussland unabhängige Ukraine der „Kleinrussen“ überhaupt gibt.
Bei der Geopolitik werfe ich im Übrigen aber vorerst lieber das Handtuch. Wie es globali oder deglobali des näheren und weiteren so zugeht, davon habe ich kaum einen Schimmer. Ich weiß auch weder, was Putin da womöglich noch alles im Schilde führt, noch was an größeren Plänen der Uncle Sam oder gar der Onkel Xi vielleicht so verfolgen. Letzteren beiden dürfte es allerdings, aus jeweils ganz unterschiedlichen Gründen, durchaus recht sein, wenn sich Europa und Russland hier ein bisschen ineinander verbeißen. Vom Uncle Sam habe ich sogar den Eindruck, dass er mit seiner frühzeitigen Ansage, dass weder er, noch seine Nato eingreifen würden, sollte Putin gegen die Ukraine loslegen, diesen regelrecht und vielleicht sogar mit Bedacht genau dazu eingeladen hat. Immerhin steht die Nato, die erst neulich von Macron noch für „hirntot“ erklärt worden war, jetzt geschlossener zusammen denn je, und Nord-Strom-2 liegt ad acta.
Ich kann dieses Zwischenergebnis des „R-U-Themas“ jedoch nicht so schlimm finden, wie’s um mich herum – sowohl auf der ordinären linken Seite (und auch in unserer Plattform), als auch in der coronakritischen Szene – allenthalben tönt: Die Nato sei doch der eigentliche Aggressor, indem sie immer näher an Putins Reich herangerückt sei. Dass z. B. Polen und die baltischen Staaten Wert darauf legen, der Nato und ihren Beistandsverpflichtungen anzugehören, ist nämlich leider sehr gut begründet in den noch nicht allzu weit zurückliegenden unguten geschichtlichen Erfahrungen, die gerade diese Länder damit gemacht haben, dass die zwei Großen im Osten und im Westen von ihnen miteinander ins Geschäft gekommen waren[2]. Und sie dürfen sich jetzt rundum bestätigt sehen in ihrer Entscheidung für die Nato-Mitgliedschaft.
Die Zeit, als es den „eisernen Vorhang“ gab und Nato und Warschauer Pakt in Europa vom Norden nach dem Süden nahezu lückenlos sich face to face waffenstarrend gegenüberlagen, war – das wird so gerne vergessen – auch die längste Zeit ohne einen heißen Krieg, die Europa seit Menschengedenken erlebt hatte. Kaum aber war dieser „kalte Krieg“ vorbei, brach der heiße in ihm wieder aus.[3]
Und wo ich schon bei der Historie bin: Der jüngste heiße Krieg mitten in Europa vor „R-U“ (ich sehe einmal ab von den Kriegen im Kaukasus), nämlich der auf dem Balkan, war ja keineswegs von einem mehr oder weniger konsensualen sogenannten „Westen“ angestiftet worden, sondern vielmehr gegen diesen von einem frisch wiedervereinten Deutschland, auch wenn dessen Militär erst in seiner Schlussphase, dem Kosovokrieg, aktiv daran beteiligt war. Und Deutschland hatte dann auch dafür gesorgt, dass der Kosovo nicht nur von Nato-, sondern auch von russischen Soldaten besetzt wurde. Der Kosovokrieg war nicht so sehr ein Krieg der Nato, als vielmehr ein Krieg um sie, um ihren Bestand und ihre von Deutschland auf die Probe gestellte Existenzberechtigung. An seinem Ende fanden sich die USA als die Garantiemacht der Staaten in Europa und deren Grenzen ein gutes Stück demontiert.
Das reicht jetzt aber von mir zum „R-U-Thema“, zu dem auf der Achse des Guten („böse, böse!“ sagen meine Prols [von der Plattform]) kurz nach Beginn der Putinschen „Sonderoperation“ Markus Vahlefeld mir mit dem Folgenden aus dem Herzen gesprochen hat:
„Neben all den menschlichen Dramen und den Verwüstungen kann man Putin durchaus persönlich übelnehmen, dass er Armeen zusammenziehen, Panzer rollen und Menschen erschießen lässt zu einem Zeitpunkt, an dem der Westen aus dem Corona-Desaster hätte etwas lernen können. All die Lügen und Verstrickungen, die todbringende Forschung, die totalitäre Politwissenschaft, die Überreaktionen, die volkswirtschaftlichen Schäden, die Kinderquälerei, die Verfolgung Andersmeinender – all das muss der Aufarbeitung weiter harren, weil Putin einen Anlass bietet, den der Westen sich nicht entgehen lassen kann, um wieder seinen Platz an der moralischen Sonne einzunehmen.“ (Reden wir über den Westen und Frau Merkels Salat)
Was hier auf „den Westen“ gemünzt ist, gilt mutatis mutandis auch für die Linke, von deren Seite ich (auch in unserer Plattform) eine Stimmung wahrnehme, als wenn sie glaubt, „Corona“ nun glücklich abschütteln zu können und ihre gewohnte Welt mit den vertrauten Feindbildern samt ihren altbekannten auch innerlinken Grabenkämpfen, die „Corona“ so schrecklich in Unordnung gebracht hat, endlich wiedergewonnen zu haben. Endlich auch kann man sich wieder um Schlachten kümmern, die man selber nicht gewinnen muss, wo man es bewenden lassen kann beim Daumendrücken für die eine oder andere Seite, weil sie weit genug weg von einem selber geschlagen werden.
Nachdem nun auch die Impfpflicht vorerst vom Tisch ist, bei der es die Linke zuletzt ja fast zerrissen hat, will man nun offenbar im alten Trott einfach brav weitertraben, als wäre nichts geschehen: „Was habt ihr denn nur mit euren Grundrechten? Ist doch alles wieder in Butter!“
[…]
Grüße …
Daniel
[1] {Red. Anm.: Tarnname für regelmäßig stattgehabte Versammlungen zahlreicher Opponenten vor Ort gegen die Corona-Maßnahmen.}
[2] {Red. Anm.: Verweis auf nicht nur aber zuletzt den Hitler-Stalin-Pakt, der den Zweiten Weltkrieg eingeleitet hat.}
[3] {Red. Anm.: Verweis auf die Jugoslawien-Kriege der 1990er Jahre.}
16. Mai 2022
Lieber C.,
[…]
Zu dem, was Du [geschrieben] hast, kann ich … nur sehr unsystematisch etwas sagen, weil Du Dich damit auf einem Feld bewegst, auf dem ich – sehr zu meinem Leidwesen – mich ausgesprochen unsicher fühle. Von Philosophie, ihrer Geschichte sowie Geschichtsphilosophie weiß ich nur sehr stückhaft das eine oder andere, d. h. eigentlich fast gar nichts bzw. nur das Wenige, was man beim fleißigen Lesen der marxistischen „Klassiker“ und um sie herum davon erfährt. Andererseits lag mir sowieso die Idee immer näher, dass jedenfalls heute, nach dem „Ausgang der klassischen deutschen Philosophie“ (MEW 21, S. 259 ff) jeder aparte philosophische Gedanke sich im Konkreten zu bewähren, daher seinen bloß philosophischen Charakter zu überwinden hat.
Aber zur Sache. Du schreibst, Du habest Dich bezogen „auf einen Artikel von Sascha Lobo, der sich jetzt im SPON als Moralapostel gibt.“ Ich habe mich daraufhin bei spiegel.de nach Artikeln des Herrn Lobo umgetan und bin u. a. auf die folgende Kolumne vom 20.4. gestoßen: „Der deutsche Lumpen-Pazifismus“. Ist das der fragliche Artikel?
Wenn ja, dann muss ich sagen, dass er mir – leider, leider! – ziemlich gut gefällt. Und das schmerzt mich selbst am allermeisten, weil mir der Mann bislang, wenn er mir medial zufällig mal über den Weg gelaufen ist, wohl durchweg auf die Nerven gegangen war – nebenbei gesagt übrigens auch in seinem albernen Outfit. Und Deine sicher pejorativ gemeinte Kennzeichnung als „Moralapostel“ schien mir vorab unbesehen einleuchtend. Aber diese Kolumne des Herrn trifft, wie ich finde, leider ziemlich ins Schwarze.
Was in diesem unseren Lande „Menschen, die sich gegen Krieg engagieren“, angeht, bin ich spätestens seit dem Frühjahr 1999, wie man so sagt, ein „gebranntes Kind“. Ich gehörte damals zu jenen winzigen, versprengten Häuflein auf der Straße, die – in etwa so ohnmächtig, wenn auch nicht annähernd soviel riskierend wie jetzt in Russland die Opponenten gegen Putins Krieg – gegen den maßgeblich von Deutschland angezettelten Krieg protestierten, der seinerzeit erstmals auch mit aktiver Beteiligung der Bundeswehr dem noch verbliebenen Rest von Jugoslawien den Todesstoß versetzte. Alles sonst in Deutschland so emsige Engagement „gegen Krieg“ war da wie weggeblasen, um dann freilich wenige Jahre später wieder voll in Aktion zu treten, als es nämlich gegen Bush Juniors Krieg zum Sturz von Saddam Hussein ging. Die Wahrheit, die man hierzulande spätestens damals hat lernen können, besteht für mich darin, dass sie auch hinsichtlich „Krieg und Frieden“ immer sehr konkret ist und daher, je abstrakter die Frage gestellt wird, desto sicherer in Lüge umschlägt.
„Ich fand es unfair“, schreibst Du, „Menschen, die sich gegen Krieg engagieren, zu unterstellen, sie seien realitätsfern oder naiv oder gefühlskalt. Das war mir zu einfach“, und so wie es da steht, bezieht sich das auf den Herrn Lobo. Aber so „einfach“ macht dessen Artikel es sich gar nicht. Es heißt dort im Gegenteil:
„Lumpen-Pazifisten mögen mit der Realität nicht besonders viel anfangen können, aber sie sind nicht in erster Linie naiv, wie ihnen oft vorgeworfen wird. Naivität ist unangenehm, aber keine Schande. Lumpen-Pazifisten sind zuvorderst selbstgerecht.“
Ja, selbstgerecht. Übrigens schon deshalb, weil sie mit dem Label, das sie sich anheften, unterstellen, das Anliegen des Friedens sei exklusiv das ihre. Näher hingeschaut, geht es konkret aber meist gar nicht um die Alternative Krieg oder Frieden, sondern darum, für bzw. gegen wessen Krieg und dann auch wessen Frieden jemand Partei ergreift. Und die sogenannten Friedensaktivisten, die jüngst hierzulande wieder auf den Ostermärschen in Scharen unterwegs waren, haben m. E. hinreichend deutlich gemacht, dass sie gegen den Krieg, mit dem die von Putin überfallene Ukraine sich dagegen wehrt, auch um den Preis Partei sind, dass Putin seinen Krieg und damit seinen Frieden gewinnt, weil sie vor allem andern um ihren eigenen Frieden fürchten. Eine solche Position wäre selbstredend völlig, wie man heute so unschön sagt, „legitim“ (wenn auch sicher nicht besonders telegen), käme sie nicht unter dem verlogenen Label des Friedens an und für sich daher.
Allerdings zwar „legitim“, aber vielleicht nicht eben klug. Denn, da folge ich ganz und gar Deiner Argumentation: Auch gegen einen zumindest potentiellen Aggressor – und als solchen stufen die Friedensaktivisten selber Putins Russland ja mehr oder weniger ausdrücklich ein, wenn sie davor warnen, es durch Unterstützung des Überfallenen allzu sehr zu reizen – sichert man den eigenen Frieden nicht, indem man „die Waffen nieder“-legt. Oder um einmal mit einem Beispiel aus jener Geschichte zu kommen, über die wir gerade dabei sind, uns per gemeinsamer Lektüre etwas kundig zu machen: Die Zurückhaltung der Pariser Kommunarden[1], die den Bürgerkrieg mit Versailles „nicht eröffnen“ wollten, obwohl die Gegenseite – spätesten mit dem gescheiterten Versuch, Paris die Kanonen zu klauen – ihn längst eröffnet hatte, wurde von dieser, wie wir lernen durften, mit keinerlei Zurückhaltung bei der Eroberung von Paris erwidert, sondern mit einer wüsten Massenschlächterei und sich anschließenden endlosen Deportationen.
Schaut man sich an, was Putins Propagandamaschine ihrem Publikum zu Hause auf Russisch als die angesagte Behandlung der Ukraine (wo man das, anders als hier, sicher nur allzu gut versteht) verkündet, dann leuchtet sofort ein, warum die sich dermaßen zur Wehr setzt, dass das hierzulande herbeigesehnte Ende dieses Krieges zurzeit offenbar kaum absehbar ist. Ich hänge mal die mit Hilfe von DeepL angefertigte Übersetzung eines entsprechenden Textes hier an. Und glaubt man dem, was polnische Medien über eine Begebenheit auf der kurz vor Putins Überfall stattgehabten Münchner Sicherheitskonferenz berichten,[2] dann hatte der gesamte dort versammelte Westen anscheinend keinen Pfifferling fürs Überleben der Ukraine im Falle eines russischen Angriffs gegeben, hatte vielmehr sich gegenseitig mit einem „wird schon nicht so schlimm werden“ beruhigt und erst die auch für „den Westen“ unerwartet massive Gegenwehr der Ukraine hatte dann seinen angeblichen „Bellizismus“ geweckt.
Des Herrn Lobos Pferdefuß lässt dieser indes blicken in einer derselben „Bigotterie … aus Deutschland“ gewidmeten Kolumne im Spiegel vom 16. März, wenn er darin Merkels von der SPD in dieser Hinsicht fortgesetzten Politik vorwirft, dass sie sich „strukturell“ in „Abhängigkeit von Putin“ begeben und „am Ende sogar dazu entschieden“ habe, „dem Ausweg durch erneuerbare Energien alle möglichen Steine in den Weg zu legen.“ In solchen Sätzen outet der Mann sich als Lobbyist im Medienbetrieb für die Grünen. Die nämlich sind mittlerweile, das ist jedenfalls mein Eindruck, mit der gebotenen Vorsicht dabei, den Kanzler und seine Partei zu demontieren,[3] die ja beide, anders als die Grünen und ihr noch halbwegs unverbrauchtes Spitzenpersonal, in aller Form für die Politik mitverantwortlich zeichnen, gegen die der Lobo jetzt Stellung bezieht. Jetzt, da die grüne Ministerin fürs Äußere wohl nicht nur im Baltikum „um Deutschlands Ruf“[4] und alles, was daran hängt, kämpfen muss.
Dieser Ruf war jedoch naheliegender Weise bereits ziemlich im Eimer, als Putin offenbar noch gepokert, seine Truppen nämlich, ohne sogleich loszuschlagen, an der Grenze zur Ukraine in martialischer Stärke nur erst hatte aufmarschieren lassen, um die Signale darauf aus dem Westen zu prüfen. Und diese Signale, namentlich die aus Deutschland, waren leider ausgesprochen ermutigend. Man lese nur einmal nach, was Frau Baerbock in der Debatte zur russischen Bedrohung der Ukraine am 27. Januar, also einen Monat vor dem Überfall, im Bundestag von sich gegeben hat[5]; wie sie recht unverhohlen sich absetzt von jenen Ländern, die in diesem neuen kalten, nun heiß gewordenen Krieg an der Front liegen (analog derjenigen, die früher einmal mitten durch Deutschland ging), wie sie ihnen gegenüber für Deutschland eine Sonderrolle reklamiert und schließlich mit den 5.000 Helmen – vom Kiewer Bürgermeister Klitschko zu Recht als „absoluter Witz“ bezeichnet – die man der Ukraine liefern werde, sich brüstet. Eine Linie, die sie auch dann noch nicht infrage stellte, als das, was bis dahin nur erst gedroht und namentlich hierzulande niemand (ich nehme mich da nicht aus) hatte recht wahrhaben wollen, zur Tatsache geworden war. Die deutsche Außenministerin hatte Putins Überfall – die Helme waren da übrigens immer noch „auf dem Weg“ – zweifellos (schau und hör Dir mal das Video[6] davon an, was sie am Tag nach Beginn des Überfalls in die Mikrophone gestammelt hat) auf dem ganz falschen Fuß erwischt.
An dem derzeitigen öffentlichen Gezerre darum, ob Deutschland die Ukraine mit Waffen mehr oder minderer „Schwere“ versorgen darf, kann oder soll: jetzt, nachdem Russlands Soldateska schon seit etlichen Wochen durch die Ukraine marschiert ist und ganze Städte in Schutt Asche gelegt hat, haftet etwas Obszönes, das in einem teils völlig irrsinnigen Geschwätz die Tatsache zudröhnt, dass der Zeitpunkt, der Ukraine wirklich zu helfen, inzwischen gründlich verpasst ist. Mehr noch: „Der Westen“ und Deutschland ganz vorneweg hat Putin, dem man zutrauen durfte und darf, dass er „die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“, als welche er die Auflösung der Sowjetunion bekanntlich einordnet, gerne rückabwickeln würde, wann und wo immer man ihm Gelegenheit dazu gibt, regelrecht dazu eingeladen, sich jetzt die Ukraine einzuverleiben. Wer den Frieden der Ukraine hätte sichern wollen, hätte ihr rechtszeitig, nämlich bevor Putins Kriegsmaschinerie in Aktion trat, helfen müssen, dass sie, wie Du ganz richtig schreibst: „für den Krieg gerüstet“ ist.
Zu all dem schwieg und schweigt der Herr Lobo aus durchsichtigen Gründen stille, und darum hat seine Entrüstung über den „Lumpen-Pazifismus“ zumindest, wie der Schwabe sagt, ein Geschmäckle. Aber weil es so einer ist, der da auf sie eindrischt, heißt das doch nicht, dass die doppelmoralischen Aktivisten des Friedens ihre Prügel nicht redlich verdient hätten.
Verdient haben sich allerdings diese Prügel mittlerweile leider auch meine coronaleugnerischen neuen Freunde von der „Basis“-Partei, denen auf den letzten Metern des Landtagswahlkampfs hier in Schleswig-Holstein endlich der Brückenschlag wenigstens zu jenem Teil des Publikums gelungen ist, in dem neben der inzwischen allseits notorischen Angst vor „dem Virus“ nun auch die – hierzulande latent wohl immer schlummernde – ähnlich diffuse und daher vielseitig instrumentalisierbare Angst vorm Atomtod wieder virulent geworden ist. Und in der glücklich hergestellten Gemeinsamkeit dieser Angst darf jetzt auch der Coronaleugner wieder frei von jeglicher Reflexion dessen, was ist, in Ängsten schwelgen vor dem, was („noch“) nicht ist, aber womöglich kommen werde. Ein brandaktuelles Flugblatt der Basis[7] titelt zum Beispiel: „Nie Wieder Krieg. Gegen Waffenlieferungen in die Ukraine. Für Dialog und Friedensverhandlungen jetzt!“ Wozu mir nur noch Lenins beißender Sarkasmus einfällt, der (obgleich in ganz anderem Zusammenhang) einmal vermerkt hat, solche Worte im gegebenen Kontext seien „dasselbe, als wolle man beim Anblick eines Leichenbegängnisses ausrufen: ‚Mögen euch immer so glückliche Tage beschieden sein!‘“[8]
[…]
Es mag ja indes auch wer (wie ich) einer unabhängigen Ukraine Sympathie entgegenbringt und also jegliche Rechtfertigung des russischen Überfalls verweigert, seine Zweifel daran haben, was die nach langem Zögern und unter schwerem inneren Ringen von Deutschland nun doch dorthin gelieferten Waffen Gutes bewirken. Und es gibt, da folge ich ganz und gar einer Erklärung der Redaktion der Bahamas zu Russlands Überfall, „auch keinen Grund, in Begeisterung über die erhebliche ukrainische Gegenwehr auszubrechen“, denn schließlich sei es „immer zynisch, beim Einsatz des eigenen Lebens anderer Leute mitzugehen wie bei einem Fußballmatch.“[9] Der Ruf nach Waffen kam und kommt jedoch – nicht erst seit Beginn des Überfalls – vor allem von den Objekten dieses Überfalls selbst, die bis auf Weiteres, indem sie sich gegen ihn zur Wehr setzen, erstaunlicherweise als auch Subjekte des Geschehens sich erweisen. Und deshalb hat die Bahamas-Redaktion Recht, wenn sie fortfährt:
„Aber für Sympathie mit dem beeindruckenden Ernst, mit dem die Überfallenen für ihre Sache einstehen, sollte es dann doch reichen. Ihnen scheinbar ganz unpathetisch, aber in Wirklichkeit voller Ressentiment am Zeug zu flicken und sie entweder wegen fehlender revolutionärer Perspektive oder ihres ‚unrealistischen‘ Widerstandes gegen eine ihnen weit überlegene Armee zu rügen, ist jedenfalls äußerst geschmacklos und damit eben sehr deutsch.“
Und nicht weniger geschmacklos, um nichts böseres zu sagen, ist es, die hier bei uns vom Überfall Betroffenen, wie bei der Friedensdemo am 13. März in Berlin geschehen, sich zu sortieren in solche, mit denen als wehrlosen Opfern man „solidarisch“ sein kann, und die anderen, die man sich auf Abstand hält, weil sie nicht nur überhaupt um Hilfe, sondern für ihre Gegenwehr auch nach Waffen rufen.
Noch etwas Weiteres in den Stellungnahmen der Bahamas-Redaktion zum Ukraine-Krieg halte ich – und damit ich nähere ich mich nun doch noch auf eine mir zugänglichere Weise der Frage, die Deine Überlegungen zum „Thema Krieg und Frieden“ um- und einkreisen – für sehr beherzigenswert. Schon im Editorial des aktuellen Hefts verwahrt sich die Redaktion dagegen, den „Unterschied zwischen totalitären Tendenzen und teilweise auch Praktiken und der, wie gerne behauptet wird, schon stattgehabten Abschaffung der bürgerlichen Freiheiten“[10] hier im Lande zu verwischen. In der bereits zitierten „Erklärung“ heißt es dann gegen Ende um einiges deutlicher:
„Kein Zweifel, dass ‚der Westen‘ seinen Anhängern wie seinen Gegnern insgesamt wie eine abbruchreife Ruine erscheint – wäre es anders, dann hätte sich Putin niemals getraut, die Ukraine zu überfallen. Dass im Westen und im Epizentrum des Irrsinns, Deutschland, allerorten daran gearbeitet wird, jene alltägliche Freiheit, für die die Ukrainer eintreten, zu kassieren und zu pervertieren und sich damit wahlweise russischen Zuständen oder denen Chinas, seinem weltpolitischen Verbündeten, bedenklich anzunähern, ist unbestreitbar. Was dieses Unternehmen aber auslöst, welche Gegenkräfte es auf den Plan ruft, welche Konflikte und Verlaufsformen es provoziert, ist nicht ausgemacht. Und deshalb ist jede mit ebenso routiniert-überlegener wie fatalistisch-achselzuckender Gebärde vorgetragene Unterstellung, wonach die Freiheit im Westen sowieso schon nicht mehr existent sei, die vorauseilende Akzeptanz jenes Zustands, auf den die deutsche Abenteuerpolitik zusteuert und in dieser Hinsicht ein Moment ihrer Durchsetzung …“
Eine solche „vorauseilende Akzeptanz“, die mir, der ich den auf alle Erfahrung und daraus zu schöpfende Erkenntnis pfeifenden Optimismus einer unweigerlich kommenden, die Menschheit beglückenden sozialistischen Zukunft von einst schon länger nicht mehr teilen kann, keineswegs fremd ist, spüre ich – nicht immer sehr deutlich zwar – auch aus manchem heraus, was Du zur Frage formulierst, welche Chance ein ewiger Frieden zwischen uns Menschenkindern hat – namentlich überall dort, wo Du die Frage auf das Problem eines „Menschenbildes“, einer „DNA des Menschen“ oder darauf abstellst, was denn „die Geschichte“ über „den Menschen“ an und für sich besage.
Mein grundsätzlicher Einwand schon dagegen, so die Frage zu stellen lautet: Solange es in nennenswerter Zahl solche Menschen wie zum Beispiel uns zwei beide noch gibt, die wir miteinander der Frage mit einiger Vernunft zuleibe zu rücken versuchen, solange ist die Frage noch nicht entschieden und deshalb unmöglich abschließend zu beantworten. Oder, um es in Abwandlung von Marxens zweiter seiner „Thesen über Feuerbach“[11] zu sagen: Sie ist, weil es niemanden gibt, der sich – in der Art eines Insektenforscher – ihr widmen könnte, ohne mit seiner ganzen Existenz, mit all seinem Tun und Lassen unmittelbar in sie verstrickt zu sein, keine „Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage“; eine Frage des bis auf weiteres nicht abgeschlossenen praktischen Versuchs, das ja durchaus hin und wider, hier und da durchgesetzte zivile, auf Einsicht und Vernunft gründende menschliche Miteinander zu behaupten und allerdings, wenn nötig, auch mit Gewaltmitteln, die freilich immer an diesem Zweck sich zu messen haben, dafür zu kämpfen.
Dass der Mensch ein Gefangener seiner DNA oder gar eines „evolutionären Prinzips“ sei; dass man, in Umkehrung des Marxschen Diktums (MEW 42, S. 39) von der Anatomie des Menschen als dem Schlüssel zu der des Affen, aus dem Studium von Mäusepopulationen auf das finale Schicksal des Menschenpacks schließen könne, nimmt dagegen (auch methodisch) ein irreversibles Scheitern der Menschwerdung des Menschentieres, dessen Regression in bloße Natur vorweg. Etwas, das zwar leider nicht einfach absurd, sondern sehr gut denkbar ist und wofür es sogar hier und heute wieder vermehrt allerhand Anhaltspunkte bis in unser unmittelbares Erleben hinein zweifellos gibt, das aber, wäre es vollendete Tatsache, wenn überhaupt jemand, nur ein übernatürliches, gleichsam göttliches Wesen zu befinden in der Lage wäre, das dann wohl sich einen makabren Scherz erlaubt hätte.
Jetzt lasse ich es aber erstmal wieder mit dem Philosophieren. …
Gruß
Daniel
[1] {Red. Anm.: Bei der „gemeinsamen Lektüre“, von der hier Rede ist, handelt es sich um Karl Marx’ Schrift „Der Bürgerkrieg in Frankreich“, in MEW 17, S. 313 ff., worin Marx die kurze Herrschaft der Kommune von Paris im Ausgang des deutsch-französischen Kriegs von 1870/71 würdigt.}
[2] Vgl. auf achgut.com am 4.5.2022 Oliver Zimski: „‚Saisonstaat‘ Ukraine? Von wegen.“
[3] Eben lese ich, dass Vizekanzler Robert Habeck zum Wahlkampfabschluss in NRW vorgestern [am 13.5.2022] auf einer Kundgebung in Düsseldorf „Bräsigkeit oder strategische Dummheit der Vorgängerregierung“, die „uns in eine Abhängigkeit von einem Diktator geführt hat“, dafür verantwortlich gemacht hat, dass er jetzt in der Nordsee nach Öl bohren lassen muss – jener „Vorgängerregierung“, in der Habecks jetziger Kanzler den Posten innehatte, den er in der jetzt amtierenden bekleidet.
[4] The Pioneer vom 23.4.2022: „Baerbocks Kampf um Deutschlands Ruf“.
[5] Nachzulesen im Stenografischen Bericht des Bundetags über die 14. Sitzung vom 27.1.2022. Erst eine Woche davor war Baerbock zu Gesprächen mit Russlands Außenminister Lawrow und anschließender Pressekonferenz in Moskau gewesen.
[6] Zu sehen auf welt.de vom 25.2.2022
[7] {Red. Anm.: Basisdemokratische Partei Deutschland, hier deren Landesverband in Schleswig-Holstein.}
[8] W. I. Lenin: Was Tun? Kapitel I.d. In Lenin Werke Bd. 5, S. 379
[9] „Gegen Deutschland und alle Feinde des privaten Glücks. Erklärung der Redaktion Bahamas zum russischen Überfall auf die Ukraine“ im Aktuell-Archiv vom 22. März 2022.
Was Russland mit der Ukraine tun sollte
Timofey Sergeytsev
Philosoph, Methodiker, Mitglied des Zinoviev-Clubs bei der Nachrichtenagentur Russia Today
Bereits im April letzten Jahres schrieben wir über die Unvermeidbarkeit der Entnazifizierung der Ukraine. Wir brauchen keine nazistische, banderitische Ukraine, einen Feind Russlands und ein Instrument des Westens, um Russland zu zerstören. Heute ist die Frage der Entnazifizierung auf die praktische Ebene gerückt.
Die Entnazifizierung ist notwendig, wenn ein bedeutender Teil des Volkes – höchstwahrscheinlich seine Mehrheit – vom Naziregime beherrscht und in seine Politik hineingezogen wird. Das heißt, wenn die Hypothese „das Volk ist gut – die Regierung ist schlecht“ nicht funktioniert. Die Anerkennung dieser Tatsache ist die Grundlage der Entnazifizierungspolitik und aller ihrer Aktivitäten, und die Tatsache selbst ist ihr Gegenstand.
Die Ukraine befindet sich genau in einer solchen Situation. Die Tatsache, dass die ukrainischen Wähler für „Poroschenkos Frieden“ und „Zelenskys Frieden“ gestimmt haben, sollte nicht in die Irre führen – die Ukrainer waren durchaus zufrieden mit dem kürzesten Weg zum Frieden durch einen Blitzkrieg, den die beiden letzten ukrainischen Präsidenten bei ihrer Wahl offenkundig angedeutet haben. Genau diese Methode der „Befriedung“ der Antifaschisten im Innern – durch totalen Terror – wurde in Odessa, Charkow, Dnepropetrowsk, Mariupol und anderen russischen Städten angewendet. Und das passte dem ukrainischen Durchschnittsbürger ganz gut. Die Entnazifizierung ist eine Reihe von Maßnahmen gegenüber der nazifizierten Masse der Bevölkerung, die technisch gesehen nicht direkt als Kriegsverbrecher bestraft werden kann.
Nazis, die zu den Waffen gegriffen haben, müssen so weit wie möglich auf dem Schlachtfeld vernichtet werden. Es sollte kein signifikanter Unterschied zwischen der AFU[*] und den so genannten Nationalen Sicherheitskräften sowie den Milizen zur territorialen Verteidigung gemacht werden, die sich diesen beiden Arten von militärischen Formationen angeschlossen haben. Sie alle sind gleichermaßen an abscheulichen Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung beteiligt, gleichermaßen schuldig am Völkermord am russischen Volk und an der Missachtung der Gesetze und Gebräuche des Krieges. Kriegsverbrecher und aktive Nazis müssen annähernd und exemplarisch bestraft werden. Es muss eine vollständige Lustration durchgeführt werden. Alle Organisationen, die sich mit der Ausübung des Nationalsozialismus verbunden haben, müssen beseitigt und verboten werden. Neben den Spitzenkräften ist jedoch auch ein erheblicher Teil der Masse des Volkes, die passiven Nazis, die Kollaborateure des Nazismus, schuldig. Sie unterstützten und verwöhnten die Nazi-Regierung. Eine gerechte Bestrafung dieses Teils der Bevölkerung ist nur möglich, wenn er die unvermeidlichen Lasten eines gerechten Krieges gegen das Nazisystem trägt, der so sanft und diskret wie möglich gegen die Zivilbevölkerung geführt wird. Die weitere Entnazifizierung dieser Masse der Bevölkerung besteht in der Umerziehung, die durch ideologische Unterdrückung (Verdrängung) nationalsozialistischer Einstellungen und strenge Zensur erreicht wird: nicht nur im politischen Bereich, sondern notwendigerweise auch im Bereich der Kultur und der Bildung. Durch Kultur und Bildung wurde die tiefgreifende Nazifizierung der Bevölkerung vorbereitet und umgesetzt, die durch das Versprechen von Dividenden aus dem Sieg des Naziregimes über Russland, Nazipropaganda, interne Gewalt und Terror sowie den achtjährigen Krieg mit dem aufständischen ukrainischen Nazivolk im Donbass gefestigt wurde.
Die Entnazifizierung kann nur vom Sieger durchgeführt werden, was voraussetzt, dass er (1) die unbedingte Kontrolle über den Entnazifizierungsprozess hat und (2) die Macht, diese Kontrolle zu gewährleisten. In dieser Hinsicht kann das entnazifizierte Land nicht souverän sein. Der entnazifizierende Staat – Russland – kann bei der Entnazifizierung nicht von einem liberalen Ansatz ausgehen. Die Ideologie des Entnazifizierers kann von dem Schuldigen, der entnazifiziert wird, nicht in Frage gestellt werden. Wenn Russland die Notwendigkeit einer Entnazifizierung der Ukraine anerkennt, bedeutet dies, dass das Krim-Szenario für die Ukraine als Ganzes unmöglich ist. Dieses Szenario war jedoch auch 2014 im aufständischen Donbass unmöglich. Nur acht Jahre Widerstand gegen die Gewalt und den Terror der Nazis führten zu einem inneren Zusammenhalt und zu einer bewusst unmissverständlichen Weigerung der Masse, irgendeine Art von Einheit und Verbindung zu einer Ukraine aufrechtzuerhalten, die sich selbst als eine Nazigesellschaft definierte.
Der Zeitrahmen für die Entnazifizierung kann keinesfalls kürzer sein als eine Generation, die unter den Bedingungen der Entnazifizierung geboren wird, wächst und reift. Die Nazifizierung der Ukraine hat über 30 Jahre gedauert – mindestens seit 1989, als der ukrainische Nationalismus legale und legitime Formen des politischen Ausdrucks erhielt und die Bewegung für die „Unabhängigkeit“ in Richtung Nazismus führte.
Die Besonderheit der modernen nazifizierten Ukraine ist ihr amorpher und ambivalenter Charakter, der es erlaubt, den Nazismus als Bestreben nach „Unabhängigkeit“ und einem „europäischen“ (westlichen, pro-amerikanischen) Weg der „Entwicklung“ (in Wirklichkeit der Degradierung) zu tarnen. (in Wirklichkeit – zur Degradierung), um zu behaupten, dass „es in der Ukraine keinen Nazismus gibt, sondern nur private sporadische Exzesse“. Es gibt keine Haupt-Nazi-Partei, keinen Führer, keine vollwertigen Rassengesetze (nur eine abgespeckte Version in Form der Unterdrückung der russischen Sprache). Infolgedessen gibt es keine Opposition und keinen Widerstand gegen das Regime.
All dies macht den ukrainischen Nationalsozialismus jedoch nicht zu einer „Light-Version“ des deutschen Nationalsozialismus in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Im Gegenteil – da der ukrainische Nationalsozialismus frei von solchen „Genre“-Rahmen und -Einschränkungen ist, entfaltet er sich frei als grundlegende Basis des gesamten Nationalsozialismus – als europäischer und, in seiner ausgeprägtesten Form, amerikanischer Rassismus. Daher kann die Entnazifizierung nicht im Rahmen eines Kompromisses erfolgen, der auf einer Formel wie „NATO – nein, EU – ja“ beruht. Der kollektive Westen selbst ist der Konstrukteur, die Quelle und der Sponsor des ukrainischen Nazismus, während die westlichen banderitischen Kader und ihr „historisches Gedächtnis“ nur eines der Instrumente für die Nazifizierung der Ukraine sind. Der Ukronazismus stellt nicht weniger, sondern eine größere Bedrohung für den Frieden und für Russland dar als Hitlers Version des deutschen Nationalsozialismus.
Der Name „Ukraine“ kann offensichtlich nicht als Bezeichnung für ein vollständig entnazifiziertes Staatsgebilde auf einem vom Naziregime befreiten Gebiet beibehalten werden. Die in den von den Nazis befreiten Gebieten neu gegründeten Volksrepubliken müssen und werden aus der Praxis der wirtschaftlichen Selbstverwaltung und der sozialen Fürsorge, dem Wiederaufbau und der Modernisierung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung erwachsen.
Ihre politischen Bestrebungen können in der Tat nicht neutral sein – die Wiedergutmachung der Schuld gegenüber Russland, weil es als Feind behandelt wurde, kann nur in Abhängigkeit von Russland in den Prozessen des Wiederaufbaus, der Erneuerung und der Entwicklung erfolgen. Ein „Marshallplan“ für diese Gebiete sollte nicht zugelassen werden. Es kann keine „Neutralität“ im ideologischen und praktischen Sinne geben, die mit einer Entnazifizierung vereinbar ist. Die Kader und Organisationen, die die Instrumente der Entnazifizierung in den neuen entnazifizierten Republiken sind, können sich nur auf die direkte Macht und organisatorische Unterstützung Russlands verlassen.
Die Entnazifizierung wird unweigerlich eine Ent-Ukrainisierung sein – eine Absage an die von den sowjetischen Behörden eingeleitete künstliche Aufblähung der ethnischen Komponente der Selbstidentifikation der Bevölkerung in den Gebieten des historischen Malorossia und Novorossia. Als Instrument der kommunistischen Supermacht blieb der künstliche Ethnozentrismus auch nach dem Fall des Kommunismus nicht verwaist. In dieser Funktion wurde sie von einer anderen Supermacht (Macht über Staaten) übernommen – der Supermacht des Westens. Sie muss in ihre natürlichen Grenzen zurückgeführt und von ihrer politischen Funktion befreit werden.
Anders als etwa Georgien und die baltischen Länder ist die Ukraine, wie die Geschichte gezeigt hat, als Nationalstaat unmöglich, und der Versuch, einen solchen Staat „aufzubauen“, führt unweigerlich zum Nationalsozialismus. Das Ukrainertum ist eine künstliche antirussische Konstruktion ohne eigenen zivilisatorischen Inhalt, ein untergeordnetes Element einer fremden und entfremdeten Zivilisation. Die Entnazifizierung an sich wird nicht ausreichen, um die Ukraine zu entnazifizieren – das banderitische Element ist nur ein Darsteller und ein Vorwand, eine Verkleidung für das europäische Projekt der Nazi-Ukraine, so dass die Entnazifizierung der Ukraine auch ihre unvermeidliche Ent-Europäisierung ist.
Die banderovianischen Spitzenkräfte müssen eliminiert werden, es ist unmöglich, sie umzuerziehen. Der gesellschaftliche „Sumpf“, der ihn aktiv und passiv durch Handeln und Nichthandeln unterstützt hat, muss die Härten des Krieges überstehen und die Erfahrung als historische Lektion und Sühne für seine Schuld verarbeiten. Diejenigen, die das Naziregime nicht unterstützt haben, die unter ihm und dem Krieg, den es im Donbass entfesselt hat, gelitten haben, müssen konsolidiert und organisiert werden, sie müssen zur Stütze der neuen Regierung werden, sowohl vertikal als auch horizontal. Die historische Erfahrung zeigt, dass die Tragödien und Dramen der Kriegszeit den Völkern zugute kommen, die sich von der Rolle des russischen Feindes verführen und mitreißen lassen.
Die Entnazifizierung als Ziel der speziellen Militäroperation selbst wird als militärischer Sieg über das Kiewer Regime, die Befreiung der Gebiete von bewaffneten Anhängern der Nazifizierung, die Ausschaltung unnachgiebiger Nazis, die Ergreifung von Kriegsverbrechern und die Schaffung der systemischen Voraussetzungen für eine spätere Entnazifizierung in Friedenszeiten verstanden.
Letztere wiederum sollten mit der Organisation lokaler Selbstverwaltungs-, Polizei- und Verteidigungsorgane beginnen, die von nationalsozialistischen Elementen gesäubert werden und auf deren Grundlage die Gründungsprozesse der neuen republikanischen Staatlichkeit eingeleitet werden, wobei diese Staatlichkeit in enger Zusammenarbeit mit der russischen Entnazifizierungsbehörde (die neu geschaffen oder z.B. aus Rossotrudnichestvo umgewandelt wird) integriert wird und unter russischer Kontrolle ein republikanischer Regelungsrahmen (Gesetzgebung) für die Entnazifizierung angenommen wird, in dem Grenzen und Rahmenbedingungen direkt festgelegt werden Russland sollte in dieser Hinsicht als Hüter des Nürnberger Prozesses auftreten.
All dies bedeutet, dass zur Erreichung der Ziele der Entnazifizierung die Unterstützung der Bevölkerung, ihr Übergang zu Russland nach der Befreiung von Terror, Gewalt und ideologischem Druck des Kiewer Regimes, nach der Aufhebung der informationellen Isolation, notwendig ist. Natürlich wird es einige Zeit dauern, bis sich die Menschen von dem Schock der Militäraktion erholt haben und von den langfristigen Absichten Russlands überzeugt sind – dass „sie nicht im Stich gelassen werden“. Es ist unmöglich, im Voraus zu sagen, in welchen Gebieten diese Bevölkerungsmasse eine dringend benötigte Mehrheit bilden wird. Es ist unwahrscheinlich, dass die „katholische Provinz“ (Westukraine, die fünf Regionen umfasst) zu den pro-russischen Gebieten gehört. Die Grenze des Ausschlusses wird jedoch durch Erfahrung gefunden. Eine Russland feindlich gesinnte, aber zwangsneutrale und entmilitarisierte Ukraine mit offiziell verbotenem Nationalsozialismus wird dahinter zurückbleiben. Russlandhasser werden dorthin gehen. Eine Garantie dafür, dass diese Rest-Ukraine neutral bleibt, sollte die Androhung einer sofortigen Fortsetzung der Militäroperation sein, wenn die aufgeführten Anforderungen nicht erfüllt werden. Dies würde wahrscheinlich eine ständige russische Militärpräsenz auf dem Territorium des Landes erfordern. Von der Entfremdungslinie bis zur russischen Grenze wäre das Territorium der potentiellen Integration in die russische Zivilisation, die in ihrem inneren Wesen antifaschistisch ist.
Die Entnazifizierungsoperation der Ukraine, die mit einer militärischen Phase begann, wird in Friedenszeiten der gleichen Logik der Phasen folgen wie eine militärische Operation. Auf jeder dieser Stufen müssen unumkehrbare Veränderungen erreicht werden, die das Ergebnis der entsprechenden Phase sind. Die notwendigen ersten Schritte der Entnazifizierung können wie folgt definiert werden:
· Liquidierung der bewaffneten Nazi-Formationen (damit meinen wir alle bewaffneten Formationen der Ukraine, einschließlich der AFU) sowie der militärischen, informationellen und pädagogischen Infrastruktur, die ihre Tätigkeit gewährleistet;
· Bildung einer Volksselbstverwaltung und von Polizeikräften (Verteidigung und öffentliche Ordnung) in den befreiten Gebieten zum Schutz der Bevölkerung vor dem Terror der nationalsozialistischen Untergrundgruppen
· die Einrichtung eines russischen Informationsraums;
· Rücknahme von Unterrichtsmaterialien und Verbot von Bildungsprogrammen auf allen Ebenen, die nationalsozialistische ideologische Haltungen enthalten;
· Massenermittlungen zur Feststellung der persönlichen Verantwortung für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbreitung der NS-Ideologie und Unterstützung des NS-Regimes;
· Lustration, Offenlegung der Namen von Kollaborateuren des Naziregimes und ihrer Zwangsarbeit zum Wiederaufbau zerstörter Infrastrukturen als Strafe für Nazi-Aktivitäten (aus dem Kreis derjenigen, die nicht mit der Todesstrafe oder einer Haftstrafe belegt werden)
· Verabschiedung von primären Entnazifizierungsmaßnahmen „von unten“ auf lokaler Ebene unter russischer Kuratel, die jede Form der Wiederbelebung der NS-Ideologie verbieten;
· Die Errichtung von Gedenkstätten, Mahnmalen und Denkmälern für die Opfer des ukrainischen Nationalsozialismus und die Bewahrung des Andenkens an die Helden, die gegen ihn gekämpft haben;
· Die Aufnahme einer Reihe von antifaschistischen und entnazifizierenden Normen in die Verfassungen der neuen Volksrepubliken;
· Einrichtung von ständigen Entnazifizierungsstellen für einen Zeitraum von 25 Jahren.
Russland wird bei der Entnazifizierung der Ukraine keine Verbündeten haben. Denn dies ist eine rein russische Angelegenheit. Und auch, weil nicht nur die Bandera-Version der Nazi-Ukraine der Ausrottung unterworfen sein wird, sondern auch und vor allem der westliche Totalitarismus, die aufgezwungenen Programme der zivilisatorischen Degradierung und des Zusammenbruchs, die Mechanismen der Unterordnung unter die Supermacht des Westens und der USA.
Um den Plan der Entnazifizierung der Ukraine umzusetzen, muss Russland selbst endlich seine pro-europäischen und pro-westlichen Illusionen aufgeben, um sich als letzte Instanz des Schutzes und der Bewahrung jener Werte des historischen Europas (der Alten Welt) zu begreifen, die es verdient haben und die der Westen schließlich aufgegeben hat, nachdem er den Kampf um sich selbst verloren hatte. Dieser Kampf dauerte das ganze zwanzigste Jahrhundert hindurch an und manifestierte sich im Weltkrieg und in der Russischen Revolution, die untrennbar miteinander verbunden waren.
Russland hat im zwanzigsten Jahrhundert alles getan, um den Westen zu retten. Sie verwirklichte das wichtigste westliche Projekt, die Alternative zum Kapitalismus, die die Nationalstaaten besiegte – das sozialistische, rote Projekt. Sie hat den deutschen Nationalsozialismus zerschlagen, die monströse Ausgeburt der Krise der westlichen Zivilisation. Der letzte Akt des russischen Altruismus war Russlands ausgestreckte Hand der Freundschaft, für die Russland in den 1990er Jahren einen ungeheuren Schlag erhielt.
Alles, was Russland für den Westen getan hat, hat es auf seine eigenen Kosten getan, indem es die größten Opfer gebracht hat. Der Westen lehnte schließlich all diese Opfer ab, wertete Russlands Beitrag zur Lösung der westlichen Krise ab und beschloss, sich an Russland für seine selbstlose Hilfe zu rächen. Von nun an wird Russland seinen eigenen Weg gehen, ohne sich um das Schicksal des Westens zu kümmern, und dabei auf einem anderen Teil seines Erbes aufbauen: der Führungsrolle im globalen Entkolonialisierungsprozess.
Im Rahmen dieses Prozesses verfügt Russland über ein hohes Potenzial für Partnerschaften und Bündnisse mit Ländern, die der Westen jahrhundertelang unterdrückt hat und die nicht die Absicht haben, ihm das Joch wieder aufzubürden. Ohne die Opfer und den Kampf Russlands wären diese Länder nicht befreit worden. Die Entnazifizierung der Ukraine ist gleichzeitig ihre Entkolonialisierung, eine Tatsache, die die ukrainische Bevölkerung verstehen muss, wenn sie beginnt, sich von den Gespenstern, Versuchungen und Abhängigkeiten der sogenannten europäischen Wahl zu befreien.
[*] {Red. Anm.: Ukrainische Streitkräfte}
Quelle (mittlerweile in Deutschland nicht mehr zugänglich):
https://ria.ru/20220403/ukraina-1781469605.html
08:00 03.04.2022 (Aktualisiert: 19:36 05.04.2022)
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